Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat viele und gute Ideen für Europa. Doch nicht immer stößt er damit auf offene Ohren bei seinen Verbündeten. Foto: dpa/Ludovic Marin

Der französische Präsident Macron macht sich für ein Zusammenwachsen Europas stark. Dabei scheut er sich nicht, auch seine Freunde vor den Kopf zu stoßen.

Paris - Emmanuel Macron hat es wieder getan. Der französische Präsident versetzt Europa mit einem einzigen Interview in Aufregung. Vor allem in Deutschland schrillen die Alarmglocken, da die Kritik Macrons dieses Mal auch direkt an Berlin gerichtet ist. Hat er vor knapp einem Jahr die Nato für „hirntot“ erklärt, mokiert der Präsident sich nun über den UN-Sicherheitsrat, der „keine brauchbaren Entscheidungen“ mehr produziere. Macrons Fazit: Europa muss in Sachen Verteidigungspolitik selbstständiger werden.

Verstimmung zwischen Paris und Berlin

Das ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nur wenige Tage zuvor erklärte. Man müsse sich von der „Illusionen einer europäischen strategischen Unabhängigkeit“ verabschieden, lautet ihre feste Überzeugung. Die Europäer seien nicht in der Lage, die entscheidende Rolle Amerikas als ein Sicherheitsanbieter zu ersetzen.

In den Augen Macrons macht sich Deutschland nach der Abwahl Donald Trumps daran, wieder unter die Rockzipfel Washingtons zu kriechen. Er aber will die Lehren aus den vergangenen vier Jahren ziehen und mehr Verantwortung übernehmen – zumal es auch unter einem neuen US-Präsidenten Joe Biden kein Zurück zur alten, ungetrübten Freundschaft geben wird.

Macrons Ziel heißt Europa

Anstrengend ist wieder einmal die besserwisserische, an Arroganz grenzende Art, wie der französische Präsident seine kühnen Ideen zur Geopolitik präsentiert. Allerdings bleibt er nicht nur seinem persönlichen Stil, sondern auch seinen politischen Zielen treu: er forciert die Kooperation Europas auf militärischer, finanz- und sozialpolitischer Ebene. Macron ist also alles andere als unberechenbar. Und dass sich der französische Präsident nicht nur als Ideengeber, sondern auch als Anführer präsentiert, sollte gerade in Berlin zu denken geben. In Sachen europäische Einigung hat Deutschland zuletzt allzu oft als Bremser fungiert.