Aufregung auf dem Stuttgarter Weindorf: Ein 85-Euro-Rostbraten sorgt für Furore. Die Wirte kontern die Kritik mit Gelassenheit – und kündigen ein 350-Euro-Tomahawk an.
Unsere Berichterstattung über eine Neuheit auf dem Stuttgarter Weindorf hat mächtig viel Wirbel ausgelöst: nicht nur in der Stadt, sondern vor allem in den sozialen Medien. Hunderte Kommentare gibt es dort. Viele feiern den Rostbraten, den es für 85 Euro in der Jägerlaube by Easy Street gibt. Noch mehr aber äußern sich negativ über das Angebot und seinen Preis. Wobei „negativ“ eine sachliche Umschreibung von dem ist, wie insbesondere auf Facebook nun mal so üblich kommentiert wird.
Rostbraten für 85 Euro? Das steckt hinter dem Mega-Preis auf dem Weindorf
„Vielen ist nicht klar, dass es nicht nur ein Rostbraten, sondern ein Wagyu-Rostbraten ist“, sagt Ingo Hampf, 50, der zusammen mit Leone Paul, 24, die Jägerlaube betreibt. Wenn man bedenke, dass man für ein Kilo Wagyu aus dem japanischen Kobe um die 500 Euro zahle, dann seien 85 Euro für 200 Gramm zubereiteten Rostbraten mit Beilagen „verdammt günstig“. Das „schwäbische Wagyu“ in der Jägerlaube stammt von einer Herde in Horb. Der junge Metzgermeister und Fleischsommelier Florian Luz hat sich mit seiner Luz Selection darauf spezialisiert und präsentiert besondere Cuts nun auch auf dem Weindorf. Das stark marmorierte Wagyu hat einen hohen Fettanteil mit niedrigem Schmelzpunkt, zergeht also förmlich auf der Zunge.
Was auf Facebook wütet, ist auf dem Weindorf vor Ort ganz anders
Viel zu erklären für Verbraucher, denen bislang vielleicht nur besonders hochwertige Steaks, aber keine Rostbraten aus dieser Preisliga begegnet sind. In den schnellen sozialen Medien ist dafür keine Zeit. „Man muss das einfach laufen lassen“, sagt Ingo Hampf. „Viele Kommentare sind eben aus einer Unkenntnis heraus – und das ist ja auch nicht schlimm.“ In die Realität vor Ort jedenfalls seien viele Neugierige gekommen, aber bislang habe nur ein einziger etwas lauter vor der Laube gebruddelt. Und einige wiederum wollten „jetzt einfach mal diesen Rostbraten probieren, von dem sie gehört haben“, sagt Leone Paul.
Die Begeisterung auch für das „Dreierlei vom Wagyu“ (Flat Iron, Flank Steak, Bavette für 59 Euro) ist groß, wie wir bei unserem Besuch sehen. Ingo Hampf betont: „Wir achten darauf, dass für jeden etwas dabei ist“ und verweist zum Beispiel auf Wildmaultaschen mit Kartoffelsalat und hausgemachtem Trollinger-Sößle für 14 Euro. „Aber Ziel kann ja nicht sein, dass jeder nur versucht, alles so billig wie möglich zu machen. Wir bedienen eben auch das Topsegment.“ Qualität, Regionalität und Nachhaltigkeit sind für ihn Prinzipien seiner Philosophie, die besonders durch Wildprodukte eingelöst werden: Ingo Hampf ist Jäger und Hegeringleiter. Nebenbei betreibt er noch eine Jagdhundeausbildungsstelle.
Tomahawk für 350 Euro: Das nächste Preisschock-Angebot auf dem Weindorf
Von Haus aus aber ist er Betriebswirtschaftler aus der Automotive-Branche, wo er ein Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitern hatte – bis er seiner Leidenschaft für Weine und Spirituosen auch beruflich nachgegangen ist. Seit gut zwei Jahren mit der Easy Street Cocktailbar im Leonhardsviertel, dazu seit einem Jahr mit einer Weinbar, in der 120 teils sehr hochwertige Weine offen ausgeschenkt werden. Dort hat er auch Leone Paul kennengelernt, der eigentlich nur noch seinen Master in Psychologie machen muss – aber erst einmal in die Easy Street eingestiegen ist.
Nun also wollen die beiden ihren Qualitätsanspruch auf dem Weindorf demonstrieren und haben für die hochwertig ausgestattete Laube eine Investition getätigt, die sich wohl erst in einigen Jahren amortisieren werde. In der Küche stehen Köche, die in der Zirbelstube und Speisemeisterei gelernt haben. „Am Wochenende wollen wir nochmal einen Hammer raushauen“ – Tomahawk-Steaks für 350 Euro. „Vermutlich werden wir weniger haben, als gefragt werden“, so Hampf: sieben Stück à 1000 Gramm.
Was sagen die anderen Wirte? Das Weindorf im Wandel
Die benachbarten Wirte, von denen einige schon zum Probieren da gewesen seien, würden das Jägerlauben-Konzept als „mutig“ bezeichnen und sagen: „Das Weindorf verträgt das auch.“ Viele Kommentare auf Facebook hingegen lauten, das gehöre nicht hierher. Leone Paul unterstreicht noch einmal: „Es gibt genug andere Angebote in den anderen Lauben – aber auch bei uns.“ Ähnliches über das „breite Angebot an Speisen und Getränken“ auf dem Weindorf hört man vom veranstaltenden Verein Pro Stuttgart. „Auf die Preise haben wir keinen Einfluss, dürften und wollen dies auch gar nicht“, so der Vorsitzende Jens Zimmermann.