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Es gibt kaum eine Patientengruppe, bei der Sport so viel hilft, wie bei Lungenkranken. Aber gerade diese Patienten kostet das viel Überwindung.

EsslingenAm Anfang jeder Gruppenstunde müssen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein kleines schwarzes Gerät auf den Finger zwacken. Das misst den Sauerstoffsättigungsgehalt im Blut. Und nur, wenn der über 90 Prozent liegt, dürfen sie mitmachen bei den Übungen, die Markus Niepel in der kommenden Stunde mit ihnen macht. Schließlich sollen die 90 Prozent auch bei Belastung nicht unterschritten werden. Denn die knapp 15 Männer und Frauen, die sich jeden Freitag im Forum am Esslinger Klinikum treffen, leiden unter Asthma oder der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit COPD, haben Lungenkrebs, eine Fibrose oder kämpfen mit anderen Krankheitserscheinungen des lebenswichtigen Organs.

Langsame Runden durch die Halle

Niepel dreht mit seinen Schützlingen langsame Runden durch die Halle, die das Esslinger Klinikum zur Verfügung stellt. Der Lehrer für Präventions- und Gesundheitsförderung und Übungsleiter für Rehasport hat als erster Lungensportexperte im Kreis Esslingen vor zwölf Jahren im damaligen Kreiskrankenhaus in Plochingen angefangen. Er ist lizenzierter Lungensporttrainer – und mit dieser Qualifikation noch immer eine Rarität im Kreis. Deshalb freut man sich am Klinikum Esslingen mit seiner großen Pneumologie, seinem Thoraxzentrum und dem Schlaflabor, dass man die Betroffenen auf dieses Angebot hinweisen kann.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schwingen ihre Arme auf die Seite und nach oben, der Brustkorb weitet sich. Ein Gummiring wandert von der einen auf die andere Körperseite, wird geworfen und wieder aufgefangen. Auf Niepels Programm stehen Koordinations-, aber auch Kräftigungsübungen. Sie stärken das Herz-Kreislauf-System, strecken den Thorax, lösen die Faszien. Sie können die Atemnot reduzieren, das Selbstbewusstsein stärken und Ängste abbauen.

Das tut gut. Die Teilnahme ist allerdings bei Menschen mit dieser Leidensgeschichte noch viel mehr eine Frage der Überwindung wie bei jedem anderen Nicht-Sportler: Weil sie bei körperlicher Beanspruchung schnell in Atemnot geraten, vermeiden viele Lungenkranke solche Anstrengungen. „Doch das ist ein Teufelskreis“, weiß Vera Wienhausen-Wilke.

Nur schonen schadet dem Körper

Die Internistin und Pneumologin ist die ärztliche Leiterin der drei Lungensportgruppen am Klinikum Esslingen. Denn wer seinen Körper nur noch schont, tut ihm nichts Gutes. Die Muskulatur baut sich sehr schnell zurück, die Belastbarkeit sinkt noch weiter ab, die Lungenfunktion verschlechtert sich zusehends. Und die Isolation der Betroffenen, die sich so kaum noch aus dem Haus trauen, drückt noch mehr auf ihre Seele. Deshalb rät sie gerade Lungenkranken dringend dazu, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Denn es gebe es kaum ein Krankheitsbild, bei dem Bewegung unter der richtigen Anleitung so schnell Beschwerden lindern, Verschlechterungen aufhalten und die Lebensqualität steigern könne als das dieser Betroffenen, betont Wienhausen-Wilke. Das sehe man schon daran, dass die Kassen bereitwillig 120 Sport-Einheiten in 36 Monaten bezahlen.

Der Lungensport wirke entblähend bei Lungenemphysemen und stärke die Lungenmuskulatur. Und habe immer auch etwas Meditatives, weiß die Ärztin. Denn wer Atemnot hat, ringt noch mehr nach Luft und kommt so auch oft in Panik. So baut Markus Niepel am Ende seiner Stunde regelmäßig Entspannungsübungen ein. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sehr motiviert“, berichtet er.

Maria Plastic (63), seit Jahren mit Bronchialasthma und mittlerweile auch mit einer Schlafapnoe geplagt, ist noch nicht so lange dabei, aber fühlt sich im Anschluss an die Übungen auf der Brust zumindest kurzfristig deutlich freier. Auch hier zählt der lange Atem: „Die Wirkung kommt nicht sofort“, warnt Niepel vor einer zu hohen Erwartungshaltung. Sein Ziel ist es, die Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands zu bewahren. Wienhausen-Wilke geht noch einen Schritt weiter und sagt: „Man kann sein Level hochschrauben. Nicht von einem Tag auf den anderen, aber wenn man regelmäßig trainiert. Es ist erweisen, dass die Patienten deutlich davon profitieren.“