Luisa Neubauer ist das Gesicht von „Fridays for Future“ in Deutschland – und prangert die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas und Öl an. Foto: Screenshot/ZDF

Die Zahlungen für russisches Gas oder Öl finanzieren auch den Krieg Russlands in der Ukraine mit, sagt Luisa Neubauer bei „Markus Lanz“ – und sieht darin eine Doppelmoral. Und eine Politikexpertin fragt: Wäre echte Solidarität nicht auch Frieren für die Ukraine?

Berlin - Welchen Preis hat Deutschlands Energieabhängigkeit von Russland? Zumindest in einem Punkt sind sich an diesem Donnerstagabend im TV-Talk bei „Markus Lanz“ im ZDF alle Beteiligten einig: Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine macht deutlich, dass Deutschland und die EU schnell unabhängiger werden müssen von Gas, Öl und Kohle aus Russland.

„Dieser Krieg wird bezahlt mit fossilen Energien“, meint Klimaaktivistin Luisa Neubauer – und spricht gar von einem „fossilen Krieg“. Nach wie vor würden die EU und die USA täglich etwa 700 Millionen Dollar an Russland zahlen – für Öl, Gas und Kohle, sagt sie. „Wir unterstützen die Ukraine auf der einen Seite, auf der anderen Seite schicken wir Geld an Russland“, sagt Neubauer und zeigt sich überzeugt, dass mit diesem Geld auch die russische Armee ausgestattet und der dadurch Krieg mitfinanziert werde. „Es braucht kurzfristig eine Antwort darauf, wie man dafür sorgt, dass Putin nicht weiter durch deutsche Stromrechnungen finanziert wird.“

Sorge vor Einstellung der russischen Gaslieferungen

Deutlichen Widerspruch für ihre Position erhält Neubauer auf dem Podium an diesem Abend nicht. Und auch eine kurzfristige Lösung für das Problem der Abhängigkeit hat an diesem Abend in der ZDF-Sendung niemand parat.

Der ehemalische deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, fürchtet, dass „die Situation, die Frau Neubauer sich wünscht, sehr schnell von Putin hergestellt werden könnte“. Dieser könne „morgen“ alles abschalten, so von Fritsch. „Dann gilt nicht nur lieber kalte Heizung als heißer Krieg, sondern dann gilt lieber keine Arbeitsplätze als heißer Krieg“, warnt von Fritsch. Auch er hält es für richtig, dass die Bundesregierung den Weg zur Energiewende gehe – weist aber auch auf die Rentnerin hin, die im Winter frieren müsse, wenn die Unabhängigkeit von russischen Lieferungen zu schnell kommen würde.

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Solche „kleinen Geisterdebatten und Schreckensszenarien“ hält Neubauer wiederum für verfehlt. Frieren stehe zumindest in Deutschland ganz konkret für niemanden auf der Agenda, behauptet sie. Dennoch sei aus Sicht der Klimabewegung klar, dass die Politik einen Plan vorlegen müsse, wie steigende Energiepreise sozial aufgefangen werden könnten. Was aber derzeit deutlich werde, betonte Neubauer, sei, dass jemand einen Preis zahle für die Energieabhängigkeit, vor der seit 15 Jahren schon gewarnt werde – und das seien nun die Menschen in der Ukraine.

An einer politischen Strategie zur Energieunabhängigkeit fehle es nun, wirft Neubauer der Bundesregierung vor. Der Bau von LNG-Terminals für Flüssiggas dauere mehrere Jahre, so viel Zeit habe man nicht – und die Erneuerbaren als „günstige, grüne, friedliche“ Energien seien in den vergangenen Jahren „runtergewaschen worden wie ein grünes Hobby“. „Energiepolitik ist auch Sicherheitspolitik“ sagt Neubauer und betont, dass Klimagerechtigkeit und Frieden aus Sicht der Klimabewegung „eins“ seien.

„Warum dreht ihr nicht alle mal die Heizung ab?“

Was also könnte kurzfristig wirken? Die FAZ-Journalistin Helene Bubrowski berichtet von einem Gespräch mit einem ukrainischen Bekannten über die Solidarität der Deutschen mit den Ukrainern: „Er hat gefragt: Warum dreht ihr nicht alle mal die Heizung ab? Warum mutet ihr den Menschen nicht mal etwas zu? Wäre echte Solidarität nicht auch Frieren für die Ukraine, provokativ gefragt?“

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Auch Grünen-Chef Omid Nouripour hält die Energieabhängigkeit für problematisch – sieht die neue Bundesregierung dabei aber in einer verzwickten Lage – insbesondere im Hinblick auf kurzfristiges Handeln und die laufenden Zahlungen für Energielieferungen an Russland. „Wir machen jetzt Dinge – wie bei den Waffenlieferungen auch – die wir nicht tun wollen, weil die Hausaufgaben in den letzten Jahren nicht gemacht wurden“, sagt er. Und betont, dass man „so schnell wie möglich“ rauskommen müsse aus der Energieabhängigkeit – und zwar nicht mit den bisherigen Planungen.

Wirtschaftliche Sanktionen zeigen Experten zufolge Wirkung

Was aus den Plänen der Ampel-Koalition wird, die Errichtung moderner Gaskraftwerke zu beschleunigen und fossiles Gas als Brückentechnologie zu nutzen – dazu äußert sich der Grünen-Chef nicht. Debatten um eine Verlängerungen von Laufzeiten der Atomkraftwerke jedenfalls machen aus Nouripours Sicht keinen Sinn, etwa weil es lange dauere, neue Sicherheitsgenehmigungen zu erhalten oder neue Brennelemente zu beschaffen. „Erneuerbare, Erneuerbare, Erneuerbare – es geht nicht anders“, sagt er nur. Daneben brauche es etwa auch mehr Energieeffizienz.

Für wichtig hält Nouripour auch die wirtschaftlichen Sanktionen – denn die könnten aus seiner Sicht vor allem die „fossile Mafia“ in Russland treffen, die Oligarchen, die das Regime beziehungsweise Putin mittragen. Rüdiger von Fritsch, der von 2014 bis 2019 deutscher Botschafter in Russland war und das Land sehr gut kennt, ist sogar überzeugt davon, dass Putin nicht lange weitermachen könne wie momentan. Die wirtschaftlichen Sanktionen hätten eine starke Wirkung, sagt von Fritsch, sie könnten dazu führen, dass die Einkommensbasis breche, die Putin benötige, um sich seine Unterstützung zu erkaufen.