Matthias Knecht ist stolz auf die zentralen Beschlüsse, die 2022 gefasst worden sind. Teils nach jahrzehntelangen Diskussionen. Er sieht sich, auch mit Blick auf seinen Vorgänger Werner Spec, als Mann für den richtigen Moment.
Trotz aller Herausforderungen schaut der Ludwigsburger Rathauschef Matthias Knecht positiv auf das, was kommt und das, was war.
Herr Knecht, Sie sind seit etwas mehr als drei Jahren im Amt. Die Menschen beurteilen meist nach sichtbaren Projekten. Viel Sichtbares ist in der Ära Knecht aber noch nicht passiert, oder?
Zuerst einmal haben wir ein sehr gutes Zusammenspiel zwischen Stadtverwaltung und Gemeinderat auf den Weg gebracht. Das war dringend nötig. Auch mit der Bevölkerung ist der Dialog wieder intensiver. Zudem haben wir Beschlüsse gefasst, um die die politischen Gremien der Stadt teilweise seit mehreren Jahrzehnten gerungen haben. Um die Stadtbahn seit 29 Jahren, um das Bildungszentrum West seit zwölf bis 15 Jahren oder um den Arsenalplatz seit neun oder zehn Jahren. Das sind große Erfolge. Wir haben mit der Corona- und Ukraine-Krise zwei große Aufgaben auf kommunaler Ebene höchst professionell bewältigt. Der Erwerb des Franck-Areals, die Sanierung der Friedrich-von-Keller-Schule, der Neubau der Kita Brahmsweg, die Umgestaltung des Walckerparks, der Bau von Fahrradstraßen und Radwegen sowie die Städtepartnerschaft mit Bergamo – und vieles mehr haben wir in den vergangenen drei Jahren umgesetzt.
Es gibt dennoch Menschen, die sagen Ihr Vorgänger war im Gegensatz zu Ihnen ein Macher. Was sind Sie?
Ich kenne diesen Vergleich, und ich habe immer gesagt: Ich bin der Mann für den richtigen Moment. Und das bewahrheitet sich auch. Denn wir haben dieses Jahr Mehrheiten mit taktischem Geschick und mit Überzeugungskraft erzielt.
Nervt der Vergleich mit Werner Spec?
Nein. Zumal ich es nicht nötig habe, mich zu rechtfertigen oder mich zu vergleichen. Ich finde es schön, wenn der eine eher als der sichtbare Macher mit vielen Leuchttürmen gilt und der andere in Ruhe, mit dem Blick für den richtigen Moment, ein Vorhaben nach dem anderen auf den Weg bringt.
War es denn ein gutes Jahr wegen der Beschlüsse? Oder überschatten die Krisen, die die Stadt weiter belasten, alles?
Es war für Europa ein schwieriges Jahr, natürlich auch für die Verwaltung und ihre Mitarbeitenden. Aber wir wachsen an Herausforderungen. Was wir geleistet haben, das gibt Kraft, Zuversicht und Optimismus.
Sie sprechen Ihr Team an. Bei den Etatberatungen wurde deutlich, dass die Fraktionen die Personalkosten kritisch im Blick haben. Immer mehr geht nicht, so das Signal.
Das stimmt, aber die Räte haben auch klar formuliert: Im Bereich Soziales, Feuerwehr, Bildung und Betreuung ist es richtig, was die Stadt tut. Da werden auch die Folgen der Ukraine-Krise sichtbar. Zudem schaffen wir vor allem Stellen in den Bereichen Digitalisierung, Klima, Sicherheit und Mobilität sowie Wirtschaftsförderung. Wir haben in den letzten drei Jahren beim Personal sehr knapp gehaushaltet. Der Haushalt hat mit 38 zu 1 Stimmen eine breite Zustimmung gefunden.
Herr Knecht, die Nerven liegen bei vielen Menschen blank. Was bleibt im Geldbeutel? Wie kommt man über den Winter? Es gibt ein großes Konfliktpotenzial in der Gesellschaft. Wie nehmen Sie das in Ludwigsburg wahr?
Mit unserem Stadtentwicklungskonzept haben wir fünf zentrale Themenfelder benannt, und das Thema sozialer Zusammenhalt ist nicht ohne Grund eines davon. Ich würde sogar sagen, dass es über Wohl und Wehe der Gesellschaft entscheidet, weil es ja auch eng zusammenhängt mit Klimaneutralität oder Bildung.
Was kann ein Oberbürgermeister denn tun, um die Gesellschaft zu befrieden?
Er kann wirken über die Worte, die er wählt, er sollte ansprechbar sein für die Menschen in der Stadt und einen ausgleichenden Dialog führen. All das liegt mir von meinem Wesen her.
Spüren Sie als Mandatsträger mehr Hass, mehr Beleidigungen? Davon berichten ja Kollegen immer wieder.
Im persönlichen Umgang mit mir habe ich in diesen dreieinviertel Jahren als Oberbürgermeister keinen einzigen direkten Angriff – auch verbaler Art – erlebt.
An was machen Sie das fest? Glück gehabt oder eigener Verdienst?
Das steht mir nicht zu, das zu bewerten, aber ich glaube, mir gelingt es schon, mit Menschen in einem fairen Umgangston zu sprechen. Auch einmal Kritik anzunehmen. Das spielt sicher eine Rolle. Darüber hinaus hat die Bevölkerung in Ludwigsburg einen gesunden Blick auf das, was die Stadt für sie tut.
Was zum Beispiel?
Nehmen wir mal den Akademiehof. Da leisten die Technischen Dienste Unglaubliches. Sie räumen nach jeder Feier erst einmal auf. Und das tun sie auch an vielen anderen Stellen der Stadt.
Würden Sie sagen, die Kuh hat man gut vom Eis bekommen?
Ja, das Thema Akademiehof kann man durchaus positiv verbuchen im Jahr 2022.
Was für den Bereich Verkehr, einmal abgesehen vom Beschluss Stadtbahn und der Sternkreuzung, noch nicht gelungen ist.
Ja, das Verkehrskonzept Innenstadt müssen wir endlich auf den Weg bringen. Das hat im Jahr 2023 Priorität.
Das klingt nach Selbstkritik.
Ja definitiv. Das müssen wir in den Griff bekommen.
Gehen wir ins Detail. Wie sähe denn eine gute Lösung für die Wilhelmstraße aus?
Tempo 30 haben wir jetzt. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass wir langfristig auf 20 km/h gehen, damit der Mensch mehr Bedeutung erhält und das Auto eine defensivere Rolle. Ich bin davon überzeugt: Unsere Innenstadt mit all ihren Akteuren profitiert nur, wenn wir mehr Aufenthaltsqualität schaffen. Und die gewinnen wir, indem der Mensch mehr Freiraum hat – da wäre Tempo 20 wunderbar.
Der Verkehr ist ein großes Thema in Ludwigsburg, gleichzeitig spielt die Kultur auch eine große Rolle. Der Zuschuss für die Schlossfestspiele wackelte. Wie viel Kultur kann sich die Stadt noch leisten?
Kultur und Sport als Wettbewerbsfaktor sind für uns als Stadt auch im Kampf um Fachkräfte wichtig. Wir brauchen Zugpferde.
Sind die Schlossfestspiele das? Die Besucherzahlen waren ja nicht gut.
Die Verkaufszahlen für 2023 sind schon viel besser, als sie es vor einem Jahr waren. 2022 sind wir zu spät in den Verkauf gegangen. Da wurde der Weihnachtsvorverkauf fast nicht mitgenommen. Dennoch müssen die Schlossfestspiele auch selbstkritisch schauen, was gut läuft und was nicht. Denn wir brauchen die Kultur. Das steht außer Frage.
Sport ist seine Leidenschaft
Stationen
Matthias Knecht wurde im Jahr 2019 zum Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg gewählt. Davor war der Jurist Rechtsprofessor und Dekan an der Hochschule in Kempten. Der gebürtige Stuttgarter machte 2005 nicht nur das zweite Staatsexamen, sondern erwarb auch den Magister in Verwaltungswissenschaften.
Hobbys
In seiner Freizeit spielt der Ludwigsburger Stadtchef gern Tennis und Basketball. Er ist aber auch begeisterter Bergwanderer. Außerdem liebt er die Malerei und ist mit seiner Familie, Ehefrau Ulrike und Sohn Jakob, gern auf Reisen.