Banksys „Love is in the Bin“ hing in der Staatsgalerie Stuttgart an verschiedenen Orten. Foto: Lichtgut//Achim Zweygarth

Der Krimi um Banksys Schredderbild geht weiter: Die derzeitige Besitzerin verkauft es schon wieder, weil sie mit einem stattlichen Gewinn rechnen kann, damit hat auch die Stuttgarter Staatsgalerie zu tun.

Stuttgart - Wer weiß, vielleicht ist sie in finanziellen Schwierigkeiten. Schließlich ist man nicht zwangsläufig flüssig, nur weil man in Kunst investiert. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass hier jemand die Gunst der Stunde nutzen und mit einem der spektakulärsten Kunstwerke jüngerer Zeit sehr viel Gewinn machen will. Vor drei Jahren ersteigerte eine „europäische Sammlerin und langjährige Kundin von Sotheby’s“, wie es damals hieß, in dem Auktionshaus ein Werk des Street-Art-Künstlers Banksy. Ein harmloses Bildchen eines Mädchens mit rotem Luftballon, das mitten in der Auktion, hoppla aber auch, aus dem Rahmen rutschte, der zufälligerweise ein Schredder war, was angeblich niemand gewusst hatte. Die Auktionsgäste schrien – und seither hat das Schredderbild Weltkarriere gemacht.

Der Preis könnte von 1,2 auf bis zu sieben Millionen Euro steigen

Doch, sagte die Sammlerin seinerzeit, sie wolle das Bild kaufen, selbst wenn der untere Teil nun in feine Streifen zerschnitten sei. Das ließ sie sich 1,2 Millionen Euro kosten. Nun aber sei es an der Zeit, „das Gemälde loszulassen“, heißt es jetzt. An diesem Donnerstag, 14. Oktober, wird Sotheby’s „Love is in the Bin“ bei seiner Abendauktion versteigern. Der Schätzwert: fünf bis sieben Millionen Euro. Sollte das Bild tatsächlich so viel einbringen, wäre das ein sensationeller Preissprung.

Die Geheimniskrämerei um die Identität macht interessant

Banksy wird von diesem Gewinn freilich nichts abbekommen, während viele andere Anteil am Erfolg des Schredderbildes haben wollten. Denn der Mythos, den der Künstler um seine Figur kultiviert, garantiert regelmäßige Schlagzeilen. Dazu gehört die Geheimniskrämerei um seine Person – seine Identität ist bis heute in der Öffentlichkeit nicht bekannt, was immer wieder Spekulationen anheizt. Mal wurde der Brite, der 1974 geboren worden sein soll, für eine Frau gehalten, dann hieß es, er sei der Sänger der britischen Band Massive Attack. Sobald irgendwo ein Graffito in einer Stadt auftaucht, das von Banksy stammen könnte, beginnen Medien und seine Fans im Netz zu spekulieren – bis Pest Control, Banksys Authentifizierungseinrichtung, veröffentlicht, ob es echt ist oder nicht.

Viele wollen an Erfolg teilhaben

Dieses ausgebuffte Versteckspiel und die eher schlichten Botschaften der Bilder haben dazu geführt, dass Banksy auch außerhalb des Kunstbetriebs eine große Fangemeinde hat. Umso wertvoller waren für Sotheby’s die Schlagzeilen, die die Auktion 2018 weltweit machte, nachdem damals der Hammer gefallen war und der Schredder sich in Bewegung setzte.

Das Museum Frieder Burda reagierte schnell mit einer spontanen Ausstellung des Bildes, das danach in die Staatsgalerie Stuttgart wanderte und auch hier extreme Bewegung in den Betrieb brachte. An die 70 000 Besucherinnen und Besucher kamen angeblich allein wegen des Schredderbildes, ein Großteil davon geht gewöhnlich nicht in Museen.

Experten halten Banksys Kunst für flach

Auch die Diskussionsrunde, die die Staatsgalerie begleitend initiierte, war leidenschaftlich wie selten im Kunstbetrieb. Sie hätte erst durch Banksy gemerkt, wie cool die Staatsgalerie sei, sagte damals eine junge Frau aus dem Publikum. Die Kunstexpertinnen und Experten auf dem Podium waren sich dagegen weitgehend einig: Banksy mache die Kunst flach und sei unterkomplex.

Das Phänomen Banksy offenbart das Dilemma des Kunstbetriebs

Ein Dilemma, dass sich nun noch verschärft darstellt. Denn ob man „Love is in the Bin“ für unterkomplex hält, für hehre Kunst oder einfach ein Pop-Phänomen, letztlich profitieren viele von Banksys enormer Popularität. Dass das Schredderbild aber nun auch so enorm im Wert gestiegen sein könnte, dazu hat die Staatsgalerie Stuttgart als eines der großen, renommierten Museen ganz wesentlich beigetragen. Vom „Durchlauferhitzer“ wird gern gesprochen, wenn Privatleute ihre Werke Museen leihen, um sie damit zu adeln und ihnen museale Würden angedeihen zu lassen. Museen verstehen sich als wissenschaftliche Einrichtungen, die aufgrund ihrer Fachexpertise Werken Qualität zusprechen oder absprechen können. Was in einer Museumssammlung ausgestellt wird, erhält zwangsläufig den Status des kunsthistorisch Bedeutsamen.

Staatsgalerie erteilt Ritterschlag

Das Schredderbild wurde in Stuttgart nicht in einer Sonderausstellung präsentiert, sondern wanderte fast ein Jahr lang durch die Sammlung und wurde zum Beispiel neben Rembrandts „Selbstbildnis mit roter Mütze“ gehängt. Was einerseits – durchaus legitim – Diskussionen über Banksys Qualität anregen sollte, war andererseits ein Ritterschlag, denn einem Künstler dieses Formats auf Augenhöhe begegnen zu dürfen gelingt den wenigsten zeitgenössischen Künstlern.

Banksys Marktwert steigt weiter

So hat letztlich auch Banksy sehr viel davon, dass andere an seinem Erfolg partizipieren wollen – wobei er eigentlich die Mechanismen des Kunstbetriebs hinterfragen will. Aber wenn der Betrieb etwas liebt, so ist es Kritik am Markt, was allzu gern mit horrenden Preisen belohnt wird. So subversiv Banksys Aktion wirken mag, er versteht es durchaus, den eigenen Marktwert weiter zu steigern. Weshalb mancher aus seinem Künstlernamen vor allem eine Botschaft herausliest: Bank.

Kunstzerstörer am Werk

Skandal
Banksy war nicht der erste Künstler, der bewusst Kunst zerstörte. Robert Rauschenberg radierte eine Bleistiftzeichnung seines Kollegen Willem de Kooning aus. Ai Wei Wei ließ absichtlich eine Urne aus der Han-Dynastie fallen, um zu fragen, was als wertvoll betrachtet wird. Echt war die Urne allerdings nicht.

Sensationspreis
Sotheby’s versteigert Banksys „Love is in the Bin“ in seiner Abendauktion und hofft auf einen stattlichen Preis. Zu Recht, als im Mai Banksys Bild „Game Changer“ für einen guten Zweck versteigert wurde, wurden knapp 20 Millionen Euro gezahlt. adr