Das verfallene Gebäude im Wald gehörte einst zu einer Metallwarenfirma. Foto: Phillip Weingand

Im Schwäbisch-Fränkischen Wald liegt ein altes Industriegebäude. Umgeben von einem Bannwald, ist das verfallene Bauwerk ein Highlight für Lost-Place-Freunde - aber auch ein interessantes Ausflugsziel.  Unsere Serie über Lost Places in der Region

Nebelschwaden ziehen durch das Tal. Es ist kalt, das Flüsschen fließt an der verlassenen Klingenmühle vorbei und rauscht den Kleinen Wasserfall hinunter. Wo das alte Turbinenhaus nur sein mag? Der Blick fällt auf eine Brücke mit zwei zerklüfteten Druckrohrleitungen, die sich über die Wieslauf erstreckt. Es kann nicht mehr weit sein – und tatsächlich: Nach einer weiteren Kurve des schmalen Waldwegs liegt das ziegelsteinerne Monument einer vergangenen Industrieepoche vor uns.

Viele Mauersteine fehlen, die Fenster sind bis auf einige letzte Glasscherben zerborsten und geben den Blick ins Innere des Gebäudes frei. Dort erinnern ein paar schwere Metalltore, Schaltvorrichtungen und große Drehverriegelungen daran, dass hier einmal schwer gearbeitet wurde. Doch das ist lange her, inzwischen hat sich die Natur die Ruine weitgehend zurückerobert. Rost zerfrisst das Metall, Ziegelsteine zerfallen, Moos und andere Pflanzen wachsen auf den Mauerresten und den Fenstersimsen.

Das steckt hinter der Ruine im Wald bei Welzheim

Das Industriegebäude verfällt immer weiter. Foto: Weingand/StZN

Bei dem Gebäude, das hier im Wald bei Welzheim langsam verfällt, handelt es sich um die Ruine eines Turbinenhauses. Im Jahr 1928 hatte die Metallwarenfirma Haasis & Hahn das Wasserrecht der Klingenmühle genutzt, um dort ein Wasserkraftwerk zu errichten. Das bestand aus einem Stausee, der sich oberhalb des heutigen Wanderparkplatzes befindet, sowie aus einem Turbinenhaus.

Durch zwei Druckrohrleitungen wurde diesem Wasser aus dem Stausee zugeführt. Auch die Leitungen sind noch einigermaßen erhalten: Über eine Brücke führen sie, knapp unterhalb des kleinen Wasserfalls, über das Flüsschen. Sie sind längst rissig und verfallen, doch man kann sich gut vorstellen, wie das Wasser einst mit hohem Druck durch die dicken Rohre gerauscht ist.

Lost Place bei Welzheim: Erinnerungen an eine vergangene Epoche

Durch diese Leitungen schoss einst Wasser. Foto: Weingand

Das wirtschaftliche Glück der Firma währte allerdings nicht lange: Schon 1934, also lediglich sechs Jahre nach dem Bau des Kraftwerks, ging die Firma in Konkurs. Zunächst übernahm der Hausgerätehersteller Bauknecht das Werk. Während das frühere Werksgebäude heute anderweitig genutzt wird, wurde das Turbinenhaus irgendwann außer Betrieb genommen – und ist nun ein Lost Place.

So findet man den Lost Place im Welzheimer Wald:

Die Natur erobert sich die Ruine zurück. Foto: Weingand

Wenn man weiß, wo man suchen muss, ist das ehemalige Turbinenhaus gar nicht allzu schwer zu finden:

  • Vom Viadukt-Parkplatz, nicht weit von der Bushaltestelle Klingenmühle-Welzheim entfernt, geht es den Waldweg in Richtung Nordwesten, in Richtung Klingenmühle.
  • Schon auf dem Weg bieten sich interessante Fotomotive – und ein idyllisch gelegener Grill- und Spielplatz, den man für eine Rast auf dem Rückweg im Hinterkopf behalten sollte.
  • Nach rund 400 Metern geht es rechts bergab in den Wald, am Fluss entlang und über eine kleine Brücke zur Klingenmühle. Dort ist ein Künstlercafé eingerichtet, jedoch öffnet es derzeit nur für Events und Gruppenbuchungen.
  • Der Weg geht nach links weiter, vorbei am Wasserfall und der Brücke mit den Rohrleitungen, dann ist die Ruine erreicht.

Für einen verantwortungsvollen Besuch dieses Lost Place gilt es viel zu beachten. Das Betreten der Ruine ist aus Sicherheitsgründen verboten, hölzerne Absperrungen umgeben den verfallenen Backsteinbau. Auch in der Umgebung ist Umsicht geboten, denn die Industrieruine liegt in einem Bannwald, also einem Totalreservat, das die ungestörte Entwicklung von Tier-und Pflanzenarten ermöglichen soll. Auch Totholz wird hier nicht entnommen. Das bringt ganz eigene Reize mit sich: Moosüberwucherte, tote Bäume und wuchernde Flechten tragen zu der gleichzeitig morbiden und doch friedlichen Atmosphäre bei.

Vorsicht ist angebracht: Die Ruine liegt mitten im Bannwald

Auf dem Weg zum Lost Place locken weitere Motive. Foto: Weingand

Wer den Lost Place besucht, muss auf den Wegen bleiben, um Flora und Fauna nicht zu schaden. Doch keine Sorge: Sogar von den Wegen aus lassen sich faszinierende Einblicke erhaschen und viele Fotomotive festhalten. Wohl dem, der eine Kamera mit klappbarem Monitor sein eigen nennt. Durch die zerstörten Fenster und die Absperrgitter hindurch können damit faszinierende Aufnahmen entstehen, die den Betrachter in eine vergangene Industrieepoche eintauchen lassen. Rund um den Lost Place finden sich in nächster Umgebung viele weitere interessante Orte, die einen Ausflug um so lohnenswerter machen. In der Laufenmühle, Luftlinie keine 500 Meter entfernt an der Landesstraße, befindet sich ein beliebtes spanisches Restaurant. Wer sich lieber noch etwas bewegen möchte, kann in der Umgebung hervorragend wandern – unter anderem verläuft hier „Drei Schluchten“, einer der Premiumwanderwege der „Feenspuren“.

Rund um den Lost Place in Welzheim locken viele Ausflugsziele

Wie es hier wohl vor 100 Jahren aussah? Foto: Weingand

Das „Eins und Alles“, ein Naturerlebnispfad, befindet sich ebenfalls in direkter Nähe und ist von dem Parkplatz nur wenige Meter entfernt. Das „Eins und Alles“ hat im Sommerhalbjahr geöffnet (Saison ab 1. März) und ist vor allem für Familien mit Kindern geeignet.


Falls man den Lost Place auf ganz besondere Art erreichen will, kann man auch die Schwäbische Waldbahn nehmen. Die historischen Dampf- und Dieselzüge fahren den Haltepunkt Laufenmühle regelmäßig an. Und die Oldtimer-Eisenbahn passt als Verkehrsmittel hervorragend in die Zeit des untergegangenen Kraftwerks.

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