Die Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hatte am Dienstag gute Nachrichten – nicht nur für Gastronomen. Foto: dpa/Georg Hochmuth

Die Öffnung der ersten Geschäfte brachte in Österreich keinen Rückschlag im Anti-Corona-Kampf. Deshalb setzt das Land seine Exit-Strategie nun weiter um und beendet die Ausgangsbeschränkungen. Dem Tourismus droht derweil ein Sprung zurück in die 1970er.

Wien - Einfach raus, Freunde treffen, die Familie wiedersehen, Essen gehen und Urlaub in heimischen Hotels machen: Österreich macht mit dem Ende der Ausgangsbeschränkungen ab 1. Mai große Schritte in Richtung Normalität. Wie in kaum einem anderen Land Europas scheint die Corona-Krise in der Alpenrepublik im Griff. Einem Hochfahren der Wirtschaft auf immer breiterer Front steht zumindest aktuell nichts im Weg. Die Öffnung der Baumärkte und kleiner Geschäfte am 14. April habe den sehr guten Trend nicht ungünstig beeinflusst, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Dienstag in Wien. Aus Sicht der Regierung ein klarer Hinweis, dass bei Beachten der weiter geltenden Hygieneregeln - Mindestabstand und ein Mund-Nasen-Schutz - Konsum und Gesundheit kein Widerspruch sein müssen.

„Wir können die Ausgangsbeschränkungen auslaufen lassen, wir brauchen sie nicht fortzusetzen“, meinte Anschober mit Blick auf den 1. Mai. Die Grundlage für die Weichenstellung sind die extrem niedrigen Infektionszahlen in Österreich. Nur wenige Dutzend Menschen stecken sich derzeit pro Tag in Österreich mit Sars-CoV-2 an. Nur 700 Erkrankte liegen im Krankenhaus. Zigtausende Betten für Covid-19-Patienten sind leer. Der Reproduktionsfaktor liegt nach den Worten von Anschober bei 0,59 und damit so niedrig wie noch nie. Der Faktor gibt an, wie viele Personen ein Infizierter mit dem Virus ansteckt.

Lokale öffnen am 15. Mai

Bahn frei also für die Öffnung aller Geschäfte und den Angeboten vieler Dienstleister ab 2. Mai. Ab 15. Mai sollen - wie schon länger kommuniziert - Restaurants und Lokale folgen. Dann seien maximal vier Erwachsene pro Tisch erlaubt und zwischen den einzelnen Tischgruppen müsse ein Mindestabstand von einem Meter eingehalten werden, sagte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Eine freie Platzwahl sei nicht möglich. Die Tische würden zugewiesen. Die Regierung empfiehlt zudem eine vorherige Reservierung. Personal mit Gästekontakt müsse bei der Arbeit einen Mundschutz tragen.

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Da die Lokale um 23 Uhr schließen müssen, stehen Discos und Nachtclubs weiter vor einer ungewissen Zukunft. „Zu Lokalen mit lauter Musik lässt sich keine plausible Zukunftsprognose für die nächsten Monate abgeben“, sagte Köstinger.

Drohender Einbruch im Tourismus

Neuigkeiten gab es am Dienstag von der Regierung auch für die in Österreich wichtige Hotellerie. Alle Beherbergungsbetriebe dürfen vom 29. Mai an wieder Gäste empfangen. „Die gesamte Branche hat eine Vollbremsung hingelegt. Für Betriebe waren die letzten Wochen extrem schwierig, in vielen Fällen natürlich existenzbedrohend“, so Köstinger. Die Hotels waren Ende März per Regierungserlass geschlossen worden. Details zum Neustart am 29. Mai konnte Köstinger noch nicht ausführen. Sie verwies aber darauf, dass die Regeln ähnlich denen in der Gastronomie sein werden.

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Prognosen verdeutlichen bereits den drohenden Einbruch im Tourismus. Der Tourismusberater Ennemoser Consulting befürchtet in diesem Jahr ein Abrutschen der Übernachtungszahlen auf das Niveau der 1970er Jahre - von zuletzt 153 Millionen auf nur noch 89 Millionen. „So gesehen wurden wir über Nacht in die 1970er-Jahre katapultiert“, so der Touristiker vor wenigen Tagen. Ob auch deutsche Gäste kommen dürfen, ist unklar. Noch verhindern das die strikten Reisebeschränkungen.

Nur vier Prozent vermissen Shopping

Die aktuellen Sehnsüchte der Österreicher hat eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsunternehmens TQS unter 1000 Bürgern ans Licht gebracht. Ganz weit vorne rangieren die Wiederaufnahme der sozialen Kontakte und der Besuch von Lokalen, Cafés und Restaurants. Bedenklich sind die Ergebnisse aber für den Einzelhandel. Nur vier Prozent der Befragten gaben an, dass sie das Shopping vermissen würden.

Es sei verfrüht zu glauben, die Krise sei vorbei, sagte Anschober. „Wir können jederzeit Stopp sagen“, lautete seine Warnung, die bei Pressekonferenzen der österreichischen Regierung derzeit nie fehlt.

Um eine zweite Erkrankungswelle zu vermeiden, setzt Österreich seit Beginn der Krise auch auf die Erfahrungen anderer Staaten. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist nach eigenen Worten sehr am Rat von Ländern wie Südkorea, Singapur oder Israel interessiert. Am Dienstag führte er nach Angaben des Kanzleramts ein Telefonat mit Südkoreas Präsident Moon Jae In. Beide Länder verbinde ihre Strategie, mit harten Maßnahmen das Coronavirus früh eingedämmt zu haben, so Kurz. „Wir haben daher heute darüber gesprochen, wie man die Wirtschaft wieder ankurbeln kann und gleichzeitig das Virus unter Kontrolle behalten kann.“