Chefredakteur Gerd Schneider (links) und OB Jürgen Zieger setzen bei der LesART bewusst auf eine enge Zusammenarbeit. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

23 Mal LesART bedeutet 23 Mal Literatur auf hohem Niveau. Das ist auch das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit: Bücherei und Eßlinger Zeitung veranstalten die Literaturtage gemeinsam. Was OB Jürgen Zieger und Chefredakteur Gerd Schneider mit der LesART verbinden, erklären sie im Gespräch mit unserer Zeitung.

Seit Monaten wird in Esslingen intensiv über die Stadtbücherei diskutiert. Wo sehen Sie den Platz der Bibliothek in der Stadt der Zukunft?

Zieger: Bibliotheken werden neben den Schulen mehr denn je die zentralen bildungspolitischen Institutionen sein. Sie sind ein Stück Basiskultur ersten Ranges. Es ist kein Zufall, dass wir darüber nachdenken, wie wir unsere Bücherei für die Zukunft aufstellen. Dass man beim Standort unterschiedlicher Meinung sein kann, finde ich in Ordnung. Wichtig ist, dass am Ende eine Lösung steht, die die Bücherei in die Lage versetzt, den hohen Standard, den wir gewohnt sind, nicht nur zu halten, sondern möglichst sogar auszubauen. Wir alle wissen, dass die Anforderungen an Büchereien immer größer und differenzierter werden. Dafür gilt es, die nötige Infrastruktur zu schaffen.

Schneider: Büchereien entwickeln sich ständig weiter. Manches, was früher selbstverständlich war, behält seine Bedeutung, anderes wird weniger wichtig. Dafür kommen gerade durch die Digitalisierung neue Anforderungen hinzu. Die Esslinger Stadtbücherei ist ein gutes Beispiel dafür, wie lebendig eine Bibliothek sein kann und wie erfolgreich sie ist, wenn sie stets auf der Höhe der Zeit bleibt. Dass eine Stadt dafür die nötigen Voraussetzungen schaffen muss, ist für mich ganz selbstverständlich.

Eine Bücherei ist die Summe vieler verschiedener Angebote. Welche Rolle spielt die LesART in diesem Gesamtkontext der Aufgaben?

Zieger: Die LesART ist der Nährboden, auf dem die Lust am Lesen und damit an der Auseinandersetzung mit zentralen Fragen von Gegenwart und Zukunft gedeihen kann. Es steht einer Bücherei gut an, solche Angebote zu machen, zumal die Nachfrage sehr groß ist. Gleichwohl ist es nicht selbstverständlich, dass es ein Festival dieser Größe und Qualität zum 23. Mal in unserer Stadt gibt. Literaturfestivals findet man inzwischen quer durch die Republik. Ein Festival wie die LesART ist immer noch etwas Besonderes - zumal in einer Stadt unserer Größe. Das macht die Esslinger Literaturtage zum Leuchtturmprojekt.

Schneider: Eine Bücherei lebt von ihren Angeboten und von den Menschen, die dort arbeiten. Ein Stück weit lebt sie aber auch von ihrem guten Ruf, und da kann ein Projekt wie die LesART, das die besondere Qualität dieser Einrichtung dokumentiert, sehr hilfreich sein.

Ein Festival wie dieses lebt auch von seiner Außenwirkung. Haben Sie den Eindruck, dass die LesART über die Bücherei hinaus zum gesamtstädtischen Ereignis wird?

Schneider: Ich erinnere mich noch gut, wie ich zum ersten Mal nach Esslingen kam. Das war mitten in einer LesART, und ich habe damals noch als Außenstehender sofort gespürt, dass das etwas ganz Außergewöhnliches ist. Viele Esslinger sind stolz, dass es solch ein herausragendes Ereignis gibt, und dieser Stolz ist auch absolut berechtigt.

Zieger:Den Wert der LesART schätze ich ausgesprochen hoch ein, weil es ihr gelingt, den gesellschaftlichen Diskurs zu beleben. Das tut der politischen Diskussion in unserer Stadt gut. Die Literaturtage setzen ein wichtiges Zeichen, dass es auf die komplexen Fragen unserer Zeit keine wohlfeilen einfachen Antworten gibt. Dass die lauten Schreier bei der jüngsten Bundestagswahl in Esslingen weitaus weniger Gehör fanden als in anderen Städten, ist auch das Ergebnis einer gewachsenen politischen Diskussionskultur, zu der die LesART einen ganz wichtigen Beitrag leistet.

Stadtbücherei und Eßlinger Zeitung arbeiten bei der LesART vom ersten Tag an eng zusammen. Wie wichtig ist diese Partnerschaft?

Schneider: Ich denke, jeder spürt, wie wichtig uns als Zeitung die LesART ist. Ein Literaturfestival so intensiv zu begleiten, bedeutet immer einen erheblichen Aufwand, doch der ist es uns allemal wert. Neben „Zeitung in der Schule“ ist die LesART das zentrale Projekt zur Leseförderung, das bei uns ganz dick im Jahreskalender markiert ist. Wir sind aus großer Überzeugung Mitveranstalter und werden in den nächsten Jahren mit derselben Begeisterung dabei sein - auch mit der entsprechenden Berichterstattung.

Zieger: Die enge Zusammenarbeit mit der Eßlinger Zeitung, die es vom ersten Tag an gab, ist ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor. Die literarische Qualität muss stimmen, aber wir könnten als Stadt niemals diese Außenwirkung erzielen, die weit über die Lesungen hinaus zu beobachten ist. Durch die sehr qualifizierte Berichterstattung können auch diejenigen, die nicht jeden Abend persönlich dabei sein können, von den Lesungen profitieren.

Was nehmen Sie ganz persönlich aus einer LesART mit?

Zieger: Die Bestätigung, dass es selten einfache Antworten auf komplizierte Fragen gibt, und die Bestärkung, dass es sich immer lohnt, um gute Antworten zu ringen.

Schneider: Lesen bereichert einen Menschen immer, aber am allermeisten freue ich mich auf die persönliche Begegnung mit den Autoren. Wenn man Bücher liest, macht man sich automatisch ein Bild von dem, der sie geschrieben hat. Und dann sitzt man stets einem Menschen gegenüber, der ganz anders ist, als man ihn sich vorgestellt hat. Solche Begegnungen finde ich ungeheuer reizvoll. Sie eröffnen mir jedes Mal ganz neue Perspektiven auf die Literatur.

Interview: Alexander Maier