Seit 2015 ist der Alicensteg, der über die B10 und den Neckar führt, gesperrt. Bislang drohte ihm der Abriss. Jetzt gibt es neue Hoffnung für all die, die ihn vermissen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Esslingen ertrinkt in Baustellen und im Verkehr. Nicht zuletzt deshalb braucht es gute Fußgängerverbindungen. Linke, SPD, Grüne und FDP wollen den stillgelegten Alicensteg reaktivieren.

EsslingenSeit 2012 droht ihm der Abriss, seit 2015 ist er gesperrt. Jetzt hat der 113 Meter lange Alicensteg über Neckar, B 10 und Berkheimer Straße engagierte Fürsprecher aus den Reihen des Esslinger Gemeinderats bekommen: Die Linke, die SPD, die Grünen und die FDP haben die Verwaltung in einem gemeinsamen Antrag dazu aufgefordert, seinen Zustand von einem Gutachterbüro überprüfen zu lassen und eine Kostenschätzung für die Sanierung vorzulegen. Die Verwaltung solle bis September 2019 einen Sanierungsplan für den Steg und die Verbindung hinauf auf den Zollberg zusammenstellen. Auf dieser soliden Basis könne dann der Gemeinderat über eine Sanierung des Stegs befinden.

Dass die aus dem Verkehr gezogene Fußgängerbrücke aus dem Jahr 1968 mit historischem Vorläufer aus dem 19. Jahrhundert wieder zum Thema wird, hat verschiedene Gründe. „Wir stoßen mit dem Verkehr in Esslingen derzeit an alle Grenzen“, verweist SPD-Stadträtin Yvonne Tröger auf die zahlreichen Baustellen, die sich mit den Brückensanierungen noch mehren werden. „Wir haben vier Autobrücken über den Neckar. Für Fußgänger haben wir viel zu wenige“, ergänzt Jürgen Menzel (Grüne). Und der Zollberg steht in Sachen Fußgängerverbindung in die Innenstadt besonders schlecht da, weiß Rena Farquhar (FDP). Seit zehn Jahren sei die Pfeifferklinge gesperrt und nichts gehe voran. Die Verbindung in der Nähe der Eichendorffschule Richtung Deponie sei sehr steil. Und wenn der derzeit ebenfalls noch gesperrte Eisbergweg hinunter Richtung Berkheimer Straße künftig zu einem Waldweg umgebaut wird, sollen auch die Treppen fallen, die diese Wegeverbindung mit dem Alicensteg verbunden haben, kritisiert Tobias Hardt (Die Linke). Er war der Initiator des gemeinsamen Antrags, die kurze Verbindung zwischen Stadt, der Jugendfarm und dem Zollberger Osten doch noch zu retten. Gemeinsam mit dem Ingenieur und Architekten Christian Kandzia hat er sich den Steg angeschaut. Und dabei sei Kandzia zu dem Schluss gekommen, dass die derzeitige Bauruine durchaus sanierbar sei. Die Treppen – auch die im Wald hinauf Richtung Eisbergweg – seien in Ordnung, die Tragkonstruktion sehe zuverlässig aus, allerdings müsse der Belag vollständig erneuert werden.

Die Verwaltung hatte in ihrer Zustandsbeschreibung vor ein paar Jahren hingegen bemängelt, dass der Korrosionsschutz und die Standfestigkeit des Bauwerks nicht mehr gewährleistet seien und eine wirtschaftliche Sanierung nicht möglich sei. 2013 wurden die Kosten für einen Neubau auf 725 000 Euro geschätzt.

Hardt und Kandzia erheben für ihre Inaugenscheinnahme freilich nicht den Anspruch, gutachterliche Ergebnisse oder Kostenschätzungen ersetzen zu können. Aber nicht zuletzt in Anbetracht der Erfahrungen mit dem Steg an der Frauenkirche, der sich in seinem angeblich maroden Zustand dem Abriss-Bagger tagelang widersetzt hatte, halten es die Antragsteller für dringend notwendig, dass eine Sachverständigenbüro den Alicensteg unter die Lupe nimmt. „Die Verwaltung hatte damals kein Gutachten vorgelegt“, so der Zollberger Bürgerausschuss-Vorsitzende Peter Zürn, der darauf hofft, dass die traditionsreiche Verbindung, die Oskar Merkel Ende des 19. Jahrhunderts für seine Arbeiter aus den Fildervororten zu seiner Wollfabrik legen ließ, doch noch wiederbelebt werden kann. „Der Alicensteg ist auch Teil des europäischen Jacobswegs und des Esslinger Höhenwegs“, betont Zürn. Er wurde zuletzt nicht von vielen genutzt. Aber für diejenigen, die ihn genutzt hatten, war er alternativlos. Zum Beispiel für die Kinder aus diversen Esslinger Schulen, die auf der Jugendfarm Tiere betreut oder auf dem TSG-Gelände Sportunterricht hatten. Oder für die Mitarbeiter der WLB-Werkstatt auf dem Zollberg. Wenn demnächst der untere Teil der Zollbergstraße unter Vollsperrung saniert werden müsse, stünden den Fußgängern jetzt nur die Treppen zwischen der Hauptverkehrsader zur Verfügung, so Zürn.

Doch „das von der Verwaltung vorgelegte Green-City- und insbesondere auch das Mobilitätskonzept fordern eine Stärkung der vorhandenen Fußwegeverbindungen“, heißt es in dem gemeinsamen Antrag der Linken, SPD, Grünen und FDP. Im Rathaus sieht man das mittlerweile offenbar ähnlich. Die Verwaltung prüfe ergebnisoffen die fortgeschriebenen Sanierungskosten für einen potenziellen Erhalt des Stegs, berichtet Rathaussprecher Roland Karpentier. Der grundsätzliche Abbruchbeschluss sei vor Jahren im Zeichen der Haushaltskonsolidierung gefasst worden. Weil man mittlerweile aber den Anteil von Fußgängern, Radlern und ÖPNV-Nutzern an den Verkehrsströmen erhöhen wolle, „könnte sich allerdings eine veränderte Bedeutung leistungsfähiger Fußgänger- und Radwegeverbindungen zwischen den Esslinger Stadtteilen ergeben“. Fortsetzung folgt, spätestens wenn der Antrag im Ausschuss für Technik und Umwelt behandelt wird.

Da waren’s nur noch zwei

Zollberg- und Frauenkirchen-Steg: 2012 standen vier sanierungsbedürftige Fußgängerbrücken in Esslingen erstmals vor dem Aus, zwei sind mittlerweile abgerissen worden: Der Steg über die Zollbergstraße fiel 2014, die Fußgängerüberführung an der Frauenkirche in diesem Jahr. Auf 1,4 Millionen Euro waren die Sanierungskosten des Quartetts seinerzeit veranschlagt worden.

Alicensteg und Berkheimer Steg: 2013 hatte sich der Gemeinderat entschieden, dem Alicensteg und dem Steg am Berkheimer Ortszentrum noch eine Gnadenfrist zu gewähren, solange sie verkehrssicher sind. Der Alicensteg ist seit 2015 gesperrt, der Berkheimer Steg wird derzeit noch genutzt, rückte aber jüngst durch schlechte Prognosen wieder ins Blickfeld.

B 10 und Neckarschifffahrt: Im Zuge des Haushaltskonsolidierungspakets 2016 drohte beiden Stegen eigentlich der Abbruch. Dass der Alicensteg trotz seiner Stilllegung noch steht, dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass man für seinen Abriss die darunter verlaufende B 10 und die Neckarschifffahrt hätte sperren müssen. Für den Berkheimer Steg gibt es massive Sympathiebekundungen aus dem Stadtteil.