Mensch und Maske – eine pathologische Beziehung. Foto: /Martin Schutt

Die Maske und ich. Johannes M. Fischer schreibt in der EZ-Kolumne „Aufgespießt“ über eine ungewöhnliche Hassliebe.

Esslingen - Dieser Text ist dir gewidmet, liebe Maske. Ich mochte dich noch nie, und du nervst ohne Ende. Aber ich muss auch feststellen, das ändert sich gerade. Das Stockholm-Syndrom hat mich erfasst. Bedeutet: Ich fühle mich zwar als Corona-Geisel (Angela Merkel spricht von einer Heimsuchung – auch ein schönes Wort), aber ich entwickle eine gewisse Beziehung zu dem Virus und seinen Symbolen, von denen das wichtigste die Maske ist. So hatte ich für eine kleine Weile eine Lieblingsmaske. „Deeper is better“ stand drauf, zu sehen war ein Taucher. Mit ihr tat ich zweifach Gutes: Ich schützte mein Umfeld und unterstützte einen Künstler. Deshalb war die Maske auch etwas teurer.

Mal was leisten

Als sie verloren ging, war ich traurig. Jetzt habe ich aber wieder eine Neue. Die war auch nicht billig. Aber ich bedaure nichts. Man sollte sich ja wenigstens ein bisschen was leisten in dieser unbarmherzigen Mund-Nasen-Masken-Zeit.

Den Kollegen im Nachbarzimmer hat es aber offenbar noch sehr viel schlimmer erwischt: Immer häufiger sehe ich ihn mit Maske allein vor dem Bildschirm – auch dann, wenn weit und breit kein Mensch in der Nähe ist. Ich frage mich: Nimmt er sie ab beim Schlafen? Könnte ich dieses Phänomen verallgemeinern, müsste ich sagen: Zwischen Mensch und Maske entwickelt sich eine pathologische Hassliebe. Leider lässt sich diese Beziehung nicht einfach abbrechen. Wohl oder übel müssen wir hinüber ins nächste Level. Und wer weiß, vielleicht werden wir – die Maske und ich – sogar noch zu einem alten Ehepaar.