Angesichts der hohen Inflation greifen Verbraucher statt zu Markenartikeln öfters zu preisgünstigeren Eigenmarken der Handelsketten. Foto: Imago/Rolf Pos/ss

Preisgünstigere Eigenmarken von Discountern und Supermärkten sind angesichts einer hohen Inflationsrate gefragt wie nie. Wie viel Verbraucher dabei sparen können, und was das für Hersteller und Handel bedeutet.

Egal ob Milch, Käse, Schokolade, Tiefkühlpizza oder Mineralwasser – Eigenmarken des Handels wie etwa „Ja!“ (Rewe), „Gut & Günstig“ (Edeka) oder „K-Classic“ (Kaufland) gibt es bei fast allen Produkten und sind bei Verbrauchern angesichts der hohen Inflation zunehmend beliebt.

Solche Eigenmarken machten laut Marktforschern der GfK zuletzt fast 43 Prozent des Umsatzes im Lebensmittelhandel von rund 149 Milliarden Euro aus – im Vorjahr waren es noch 40,7 Prozent. „Der Preis macht den Unterschied“, sagt Christian Wulff, Handelsexperte beim Beratungsunternehmen PwC. Eigenmarken seien in der Regel deutlich billiger als die Herstellermarken, die zehn bis 20 Prozent ihres Umsatzes für Werbung ausgeben, sagt Wulff. Dieser Kostenfaktor falle bei den Eigenmarken des Handels weg. Er beziffert die Ersparnis auf rund 40 Prozent. Bei Aldi etwa besteht das Sortiment nach eigenen Angaben zu rund 90 Prozent aus Eigenmarken.

Günstiger trotz des stärkeren Preisanstiegs

Verbraucher könnten bei Eigenmarken sparen, sagt auch Sven Reuter, Chef der Preisvergleichs-App Smhaggle. Durchschnittlich seien diese sogar rund 46 Prozent günstiger als vergleichbare Markenprodukte, obwohl die Preise der Eigenmarken im Laufe des Jahres 2022 im Schnitt prozentual doppelt so hoch gestiegen seien wie bei vergleichbaren Markenprodukten, sagt er. Extreme Kostensteigerungen bei Energie, Rohstoffen, Verpackung und Logistik schlagen stärker durch.

Oftmals ist es ein- und derselbe Hersteller, der sowohl sein eigenes bekanntes Markenprodukt als auch die Eigenmarke des Handelskonzerns herstellt, egal ob Molkerei oder Keksfabrik. „Mit veränderter Rezeptur“, wie PwC-Experte Wulff sagt, was aber keine Qualitätseinbußen bedeute. Markenprodukte hätten ein bestimmtes Geschmacksversprechen und Verbraucher entsprechende Erwartungen. „Bei einem No-Name-Produkt gibt es keine so konkrete Vorstellung, wie es zu schmecken hat“, sagt er. Deshalb könne man mit Rezepturen arbeiten, die günstiger seien, mitunter sogar weniger Zucker oder Fett enthielten.

Kleine Lebensmittelhersteller unter Kostendruck

Für die Hersteller kann das Vorteile haben. Sie können so ihre Produktion besser auslasten. Über höhere Gewinnspannen beim Markenprodukt lassen sich die günstigeren No-Name-Produkte mitfinanzieren, bei denen die Marge viel geringer ausfällt. Wer nur Eigenmarken für den Handel produziert, hat angesichts geringer Margen in Zeiten steigender Rohstoff- und Energiepreise aber das Nachsehen.

Steigende Kosten durch teurere Rohstoffe und Verpackungsmaterialien sowie höhere Transportkosten schmälerten die Marge und machen vor allem kleineren und mittleren Lebensmittelherstellern zu schaffen. Denn diese können oftmals die Preissteigerungen nicht bei den Handelskonzernen durchsetzen, sagt Experte Wulff. Hinzu kämen die gestiegenen Energiekosten.

In Deutschland haben offenbar immer mehr Händler wie Aldi, Edeka und Co. Schwierigkeiten, Hersteller für ihre Eigenmarken zu finden. Wie die „Lebensmittel Zeitung“ berichtet, gibt es in einigen Kategorien immer weniger Anbieter. Problematisch seien vor allem Bereiche, in denen es ohnehin keine großen Margen gebe. So hat beispielsweise Ende September Schätzle seine Nudelproduktion eingestellt. Man wolle sich auf lukrativere Kategorien fokussieren, hieß es bei dem Unternehmen, das jährlich rund 120 Tonnen Nudeln für Aldi und Edeka lieferte. Bei großen Markenartikelherstellern sinkt laut dem Branchenblatt der Anteil an produzierter Handelsware. Wohl deshalb haben mittlerweile mehrere Handelskonzerne Produktionstöchter.

Lidl-Mutter setzt vermehrt auf eigene Produktion

Auch die Neckarsulmer Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören, setzt verstärkt auf eine eigene Produktion. Erst im Dezember 2022 hat das Kartellamt grünes Licht für die Übernahme des Nudelherstellers Erfurter Teigwaren gegeben. Deutschlands größter Nudelhersteller litt zuletzt unter steigenden Kosten und produzierte ausschließlich Eigenmarken für den Handel – etwa 100 000 Tonnen im Jahr. Ziel der Akquisition sei, die Handelsunternehmen der Schwarz-Gruppe, also Lidl und Kaufland, „zuverlässig mit qualitativ hochwertigen Teigwaren-Produkten aus eigener Herstellung zu versorgen“, hatte die Schwarz-Gruppe den Kauf begründet.

„Übernahmen entlang der Lieferkette sichern die Warenverfügbarkeit im eigenen Filialnetz“, sagt auch Experte Wulff, weil das Handelsunternehmen damit den eigenen Bedarf abdecken könne – zumindest zum Teil.

Von Nudeln über Schokolade bis zur Kaffeerösterei

„In den vergangenen Jahren konnten wir viel Erfahrung darin sammeln, neue und auch bestehende Lebensmittelwerke erfolgreich aufzubauen beziehungsweise weiterzuentwickeln“, lässt sich Jörg Aldenkott zitieren. Er ist Vorstandsvorsitzender der Schwarz-Produktion, in der die Schwarz-Gruppe ihre Produktionsaktivitäten gebündelt hat. Der schwäbische Konzern gibt sich auf Anfrage äußerst zurückhaltend. Auf der konzerneigenen Internetseite allerdings sind unterschiedliche Produktionen aufgelistet. Getränke – ob Wasser, Saftschorle oder Limonade – gehören ebenso dazu wie Nudeln, Backwaren, Schokolade, Eiscreme, Nüsse, Trockenfrüchte und sogar eine eigene Kaffeerösterei. Mittlerweile zählt Schwarz-Produktion – mit mehr als 4500 Mitarbeitern und 17 Standorten – zu den Top 10 der Lebensmittelindustrie in Deutschland. Das bringt Versorgungs-, aber auch Preissicherheit.

Der Kampf um die Preise

Erhöhungen
Im Lebensmittelhandel droht Verbrauchern offenbar eine weitere Welle von Preiserhöhungen. Allein die Rewe-Gruppe hat fürs erste Quartal 2023 „von Markenartiklern Preiserhöhungen im Volumen von mehr als einer Milliarde Euro auf dem Tisch liegen“, wie Rewe-Chef Lionel Souque kürzlich sagte.

Regallücken
Große, internationale Konsumgüterhersteller versuchten ihre Gewinnmargen zu erhöhen und forderten Preiserhöhungen, die nicht gerechtfertigt seien, so der Rewe-Chef. Das führe zu Konflikten und manchmal auch zu Regallücken durch Lieferstopps oder Auslistung. Auch Edeka-Chef Markus Mosa hat sich ähnlich geäußert.

Kaufverhalten
Verbraucher greifen verstärkt zu Angeboten und Eigenmarken. Auch geht die Tendenz mehr zum Discounter als zum klassischen Supermarkt.