Laurenz Theinert bespielt die Architektur der Museumspassage mit seinem Visual Piano. Foto: /Stefanie Schlecht

Der Lichtkünstler Laurenz Theinert und der Musiker Fried Dähn verwandeln das Museum Ritter in Waldenbuch mit einer audiovisuellen Performance in eine Welt aus Farben.

Lädt man sich Lichtkünstler ins Haus, so hat das Folgen. Vielleicht erkennt man das Haus nicht mehr. Vielleicht sitzt man dann da, den Kopf zurückgeworfen, und blickt hinauf in einen Kosmos, der plötzlich aus der Fassade hervorbricht. Vielleicht erkennt man danach die Welt nicht mehr. Für eine Weile.

Seit dem 5. Mai zeigt das Museum Ritter in Waldenbuch Werke des Lichtkünstlers und Fotografen Laurenz Theinert; am 15. September wird die Ausstellung „Fehlende Dunkelheit“ enden. Zuvor nun trat Theinert gemeinsam mit dem Cellisten Fried Dähn am Museum auf, bespielte die Architektur der Museumspassage mit seinem Visual Piano, während Dähn, mit elektronisch modifiziertem Instrument, Soundscapes entfaltete, Landschaften aus Klang, geräuschhaften Ereignissen, Songstrukturen, Improvisationen, Erkundungen vorbeiziehen ließ.

Das Licht beginnt auf der Passage zu blühen

Die Passage, die vor dem Foyer des Museums Ritter liegt, ist ein nach zwei Seiten offener Durchgang durch das Museumsgebäude. Dort, windgeschützt, aber in kühler Luft, sitzen am Sonntag die Gäste des Museums in Stuhlreihen um die beiden Künstler, die in der Mitte der Passage agieren. Nach 21 Uhr liegt die Passage erst noch im Dunkeln; dann beginnt das Licht auf ihr zu blühen. Mehr als eine Stunde wird die Licht-und-Klangperformance dauern, eine kleine Zugabe wird es geben.

Laurenz Theinert ist Lichtkünstler und Fotograf. Foto: Eibner/Andreas Ulmer

Laurenz Theinert und Fried Dähn treten seit Jahren gemeinsam unter dem Namen „Die Sonografen“ auf. Theinert wurde 1953 in Hannover geboren, studierte in Stuttgart und Leicester, schafft seit 1993 Performances in Klang, Licht, Raum, fotografiert. In seinen Arbeiten untersucht er, weitab von jeder Gegenständlichkeit, die menschliche Wahrnehmung im Raum, stimuliert Aufmerksamkeit auch jenseits der gewohnten Muster. Sein Visual Piano, erklärt er, funktioniere wie ein umgerüstetes Midi-Keyboard, bei dem Tasten mit unterschiedlichen Formen, Farben belegt sind. In der Waldenbucher Museumspassage schließt Laurenz Theinerts Lichtkunst ihr Publikum vollständig ein.

Zwei unscheinbare menschliche Gestalten im Kreis der Zuschauer

Fried Dähn, geboren 1958 in Tübingen, war bis vor Kurzem der erste Cellist der Württembergischen Philharmonie Reutlingen, war Mitglied des Ensemble Modern, eines internationalen Solistenensembles, das sich auf die Aufführung von Werken neuer Musik spezialisiert hat. Dähn hat mit zahlreichen weiteren Ensembles zusammengearbeitet und Musikalben im Bereich zwischen Klassik, Jazz, Rock und Avantgarde veröffentlicht. Er spielt in Waldenbuch sein elektrisches Cello, das er konsequent erweitert, mit Laptop, Loopstation, Effektgeräten ausgestattet hat, um neue Klänge und Improvisationsmöglichkeiten zu schaffen. In der Museumspassage agieren zwei unscheinbare menschliche Gestalten im Kreis der Zuschauer – und rund um sie her entsteht eine klingende, pulsierende, leuchtende Welt in ständiger Veränderung, wandeln sich Farben, Strukturen, Klänge in einer Vielfalt, die keine Grenzen zu kennen scheint, überraschend und fesselnd.

Bei Theinerts Visual Piano sind die Tasten mit Formen und Farben belegt. /Stefanie Schlecht

Laurenz Theinert betont zu Beginn des audiovisuellen Konzertes, dass es zwischen ihm und Fried Dähn keinerlei technische Koppelungen gebe, dass beide vollkommen unabhängig aufeinander reagierten, verbunden nur durch ihre Sinne, ihren Geist und ihre Intuition. „Wir versuchen, etwas zu machen, das man audiovisuelle Musik nennen könnte“, sagt er. Die Lichtkunst wird zu einem vollwertigen Teil der Musik.

Die Musik nimmt Gestalt an

Alles beginnt mit Stille. Ein hallendes Geräusch zieht auf, wirkt noch mechanisch, eine Klangfläche legt sich unter es. An den Wänden kleine Nester aus Farbe, die aufbrechen zu weitgefächerten Strahlenkränzen, grün. Kalte, harte Schläge tauchen ein in die Musik, die Tonhöhe ändert sich unmerklich, tiefere Frequenzen treten hinzu. Und schließlich lang angehaltene Cello-Noten. Die Musik wird Gestalt annehmen, einmal tänzeln wie ein seltsam fremdes, höfisches Streichensemble, dann erinnern an Techno, Pop, mal zart, mal betäubend. Und das Licht, seine Figuren: Linien, die über das Museum wirbeln, Schlingen, Schlaufen, Kreise und Raster, Texturen, die an Stoffliches erinnern, verschachtelte Tiefen, formloses Fließen, Globen in allen Größen, Schraffuren in wechselnden Farbtönen, warme Töne, die unvermittelt in Kälte stürzen, Perspektiven, die kippen. Die Modalität nicht nur des Sichtbaren wird hier einmal vorgeführt in all ihrer Unausweichlichkeit; der Mensch denkt mit den Augen – und staunt.