Malaika Mihambo feiert ihren Triumph in Rom. Foto: dpa/Oliver Weiken

Malaika Mihambo verhindert am Abschlusstag in Rom titellose Europameisterschaften für den Deutschen Leichtathletik-Verband und fliegt mit ihren 7,22 Meter endgültig in die Favoritenrolle für Paris.

Die Scheinwerfer im Olympiastadion in Rom sind aus, der Spot ist auf die am 1. August beginnenden Leichtathletik-Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen in Paris gerichtet. Die italienischen Gastgeber erlebten in den sechs EM-Tagen einen Sommernachtstraum. Unfassbare 24 Medaillen wurden von den Azzurri bejubelt, vor zwei Jahren in München waren es noch elf.

Mit fünf Medaillen am Abschlussabend polierte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) seine Bilanz noch auf – auf insgesamt elf (einmal Gold, dreimal Silber, siebenmal Bronze). 2022 in München hatte das deutsche Team noch Platz eins im Medaillenspiegel mit 16 Plaketten belegt, darunter waren sieben Titelgewinne. In Rom liefen die DLV-Asse dagegen rund sieben Wochen vor Olympiabeginn von Anfang an hinterher. Zuletzt gab es bei einer EM vor zehn Jahren weniger Plätze auf dem Podium, damals in Zürich aber viermal Gold.

Nun gab es lediglich einen Titel zu verzeichnen: den Triumph am Mittwochabend von Malaika Mihambo (LG Kurpfalz). Die Weitsprung-Olympiasiegerin war wieder einmal überragend: Mit 7,22 Meter legte sie die zweitbeste Weite ihrer Karriere hin. „Das ist der Wahnsinn, ich habe selber eine Gänsehaut bekommen“, kommentierte die 30-Jährige ihren zweiten EM-Titel nach Berlin 2018. Mihambo kassierte von den erstmals ausgeschütteten Prämien 50 000 Euro für ihren Disziplinsieg im Weitsprung.

Die Medaillenhoffnungen des DLV für die Olympischen Spiele sind an einer Hand abzuzählen. Neben Mihambo sind dies Speerwurf-Vizeeuropameister Julian Weber (85,94 Meter), dem der Tscheche Jakub Vadlejch am Mittwochabend mit 88,65 Meter im letzten Versuch noch den Titel entriss. Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye (Bronze) könnte auch in Paris auf dem Treppchen landen. Besonders große Hoffnungen liegen auf Zehnkämpfer Leo Neugebauer (VfB Stuttgart), Weltjahresbester mit 8961 Punkten, der in den USA studiert. „Der beste Amerikaner ist ein deutscher Riese“, berichtete das „Wallstreet Journal“ zuletzt. Man darf dem schwäbischen Himmelsstürmer fast alles zutrauen. Ex-Weltmeister Niklas Kaul (USC Mainz) meldete mit seinem vierten EM-Platz dennoch Ansprüche auf den Zehnkampf in Paris an, hat aber noch eine Menge Arbeit vor sich.

Gesa Krause (Silvesterlauf Trier) ist nach ihrer Babypause als Vizeeuropameisterin zurückgekehrt und setzt hohe Ansprüche: „Wer mich kennt, weiß, dass ich in Paris nicht bloß dabei sein, sondern auch ins Finale möchte.“ Sie fuhr direkt von Rom mit ihrem Trainer Wolfgang Heinig („In Paris werden die Karten neu gemischt“) in die Höhe nach Livigno (Italien).

Jörg Bügner, Vorstand Leistungssport im DLV, sieht Lichtblicke, aber auch deutliches Verbesserungspotenzial. Junge Leute wie der 22-jährige Hammerwerfer Merlin Hummel (UAC Kulmbach, Vierter mit Bestleistung von 79,25 Meter) oder 800-Meter-Läuferin Maitje Kohlberg (LG Kreis Ahrweiler, Fünfte nach Bestleistung mit 1:58,74 Minuten) haben sich überzeugend für Olympia qualifiziert. Allerdings räumte Bügner ein, dass der Medaillenspiegel keinen Anlass zur Euphorie bietet. „Die sechs Tage von Rom insgesamt haben uns Stärken und Schwächen aufgezeigt. Wir haben in bestimmten Bereichen einen Schritt nach vorn gemacht, in einigen Disziplinen jedoch nicht performt“, sagte er. „Anhand der EM als Standortbestimmung können wir ablesen, woran es in Richtung Olympia in Paris noch zu arbeiten gilt. Die Erfolge vom Mittwoch geben uns für diese Aufgaben Rückenwind.“

Die Glanzlichter in Rom waren vor allem den Gastgebern vorbehalten. Hochspringer Gianmarco Tamberi setzte der EM mit einer theaterreifen Vorstellung die Krone auf. Der Mann mit den zwei Gesichtern – eine Gesichtshälfte war rasiert, die andere mit Bart – rannte nach seinem Sieg mit Weltjahresbestleistung von 2,37 Meter auf die Haupttribüne in die Arme von Staatspräsident Sergio Matarella. „Der Heimvorteil hat bei den Italienern eine große Rolle gespielt“, erklärte Jörg Bügner, und DLV-Präsident Jürgen Kessing aus Bietigheim-Bissingen pflichtete ihm bei: „Das haben wir 2018 und 2022 in Berlin und München auch erlebt.“

Über einen Vergleich der Strukturen müsse man aber dennoch nachdenken, meinten beide. Was der DLV von den Italienern lernen kann? Stefano Mei, Verbandspräsident und 10000-Meter-Europameister von Stuttgart 1986, initiierte auf alle Fälle vor rund fünf Jahren ein System („Leichtathletik-Horizont 2021 bis 2028“), um die Athleten und Trainer in professionelle Strukturen zu bringen. Dies hat jetzt Früchte getragen.

Die Stars der Europameisterschaften werden am Ende auch die Gewinner der Olympischen Spiele in Paris sein. Der Olympiasieg geht dort nur über Armand Duplantis, Karsten Warholm, Femke Bol, Gianmarco Tamberi, Leonardo Fabbri, Jakob Ingebrigtsen – und eben Malaika Mihambo.