Ein Gasleck von Nord Stream 2 ist in der Nähe von Bornholm in der Ostsee zu sehen. Foto: dpa

Was ist der Grund für mehrere Löcher in den Unterseegasleitungen Nord Stream 1 und 2? Die EU geht inzwischen von einer Sabotage aus und verspricht eine „robuste“ Reaktion.

Dass die Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 durch Sabotage entstanden sind, hält die Europäische Union für wahrscheinlich. Die EU hat daher mit Gegenmaßnahmen gedroht.

„Alle verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass diese Lecks das Ergebnis einer vorsätzlichen Handlung sind“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch im Namen der 27 Mitgliedstaaten.

Jedwede vorsätzliche Störung der europäischen Energieinfrastruktur werde „mit einer robusten und gemeinsamen Reaktion beantwortet werden“.

Borrell forderte eine Ermittlung zu den Ursachen für die Lecks. Alle „verfügbaren Informationen“ wiesen derzeit auf Vorsatz hin. „Wir werden jegliche Ermittlungen unterstützen, die eine vollständige Klärung der Vorfälle und ihrer Gründe unterstützen“, erklärte Borrell. Die EU werde „weitere Schritte unternehmen, um die Widerstandsfähigkeit unserer Energiesicherheit zu erhöhen“, sagte er.

Detonationen unter Wasser

EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, die „Sabotageakte“ an Nord Stream schienen ein „weiterer Versuch zu sein, die Energieversorgung der EU zu destabilisieren“. Die Verantwortlichen würden „vollständig zur Verantwortung gezogen“ und müssten dafür „bezahlen“.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Dienstagabend erklärt, sie habe mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen über „den Sabotageakt“ gesprochen. Frederiksen sagte, die Lecks seien durch „vorsätzliche Handlungen“ und nicht durch einen Unfall entstanden. Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson berichtete von „Detonationen“.

Drei Lecks an den Leitungen

Aus den Pipelines Nord Stream 1 und 2 von Russland nach Deutschland tritt seit Montag an drei Stellen in dänischen und schwedischen Hoheitsgewässern in der Nähe der dänischen Insel Bornholm Gas aus. Die dänische Marine veröffentlichte Aufnahmen, auf denen eine großflächige Blasenbildung an der Meeresoberfläche zu sehen ist.

Zu einer möglichen Ursache der Lecks lagen von offizieller Seite zunächst keine Angaben vor. Vermutet wird aber ein Sabotageakt. Frederiksen sagte, die klare Meinung der dänischen Behörden sei, dass es sich nicht um einen Unfall handele. Zu möglichen Verursachern äußerte sie sich nicht.

Die Leitungen von Nord Stream 1 und 2 sind derzeit zwar nicht in Betrieb, aber mit Gas gefüllt. Kopenhagen gehe davon aus, dass es noch „mindestens eine Woche“ dauern werde, bis das aus den Leitungen austretende Methan aufgebraucht sei, sagte der dänische Energie- und Klimaminister Dan Jörgensen.

Von der Leyen kündigt Aufklärung der Vorfälle an

Von der Leyen erklärte auf Twitter, es sei nun von größter Bedeutung, die Vorfälle zu untersuchen, um „vollständige Klarheit“ über die Geschehnisse und den Hintergrund zu erhalten. Jede absichtliche Unterbrechung der europäischen Energieinfrastruktur sei „inakzeptabel und wird zu der stärksten möglichen Reaktion führen“, warnte sie.

Auch die US-Regierung geht Berichten nach, denen zufolge die Lecks „das Ergebnis eines Angriffs oder einer Art Sabotage“ sind, wie Außenminister Antony Blinken sagte. Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte, Washington unterstütze Forderungen nach einer Untersuchung und werde sich weiter dafür einsetzen, „Europas Energiesicherheit zu gewährleisten“.

Die Betreiberfirma Nord Stream kündigte eine Untersuchung an, um in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden die Schäden festzustellen und die Ursachen des Vorfalls zu klären. Derzeit sei nicht abzuschätzen, wie lange es dauern werde, die Pipelines zu reparieren.

Vorwürfe in Richtung Russland

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sprach von einem „Sabotageakt“, bei dem es sich „wahrscheinlich um die nächste Eskalationsstufe“ im Ukraine-Konflikt handele.

Der norwegische Militärwissenschaftler und Marineoffizier Tor Ivar Strömmen sagte AFP, für ihn komme nur Russland als Verantwortlicher in Frage. „Lecks an Gaspipelines sind extrem selten“, sagte Strömmen. Die Nord-Stream-Leitungen seien zudem recht neu, im Fall von Nord Stream 2 sogar sehr neu. Da bleibe eigentlich nur Sabotage als Erklärung. „Ich sehe nur einen möglichen Akteur und das ist Russland“, führte der Offizier aus.