Seit 24 Jahren gibt es die lebende Krippe auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt. Foto: Privat/Privat

“Mähh“ und „Ih-Ah“ – seit dem Beginn des Weihnachtsmarktes wohnen zwei Schafe, drei Lämmer und ein Esel in Stuttgarts Innenstadt. Während Tierschützer den Rückzug der Tiere fordern, setzt sich die Stadt für die lebende Krippe ein.

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“ So beginnt die Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium. Für die Volkszählung des Kaisers mussten alle zurück in ihre Heimatstadt, auch Josef und seine schwangere Frau Maria.

In Bethlehem angekommen waren alle Unterkünfte voll, so kamen Josef und Maria in einem Stall unter, in dem der kleine Jesus auf die Welt kam – mitten im Heu, zwischen Ochsen, Schafen, Eseln und dem Breuninger. Ja, wirklich. Zwischen dem Einkaufscenter und der Markthalle steht eine lebende Krippe mit Holz-Jesus, Esel Lukas, zwei Schafen und drei Lämmern. Handys werden gezückt, klebrige Kinderhände durch den Zaun geschoben: „Ach, isch des nett!“ – Danach geht’s weiter zum Crêpes-Stand.

Tierschützer kritisieren Krippe

Während sich Passanten über Lukas und seine wolligen Mitbewohner freuen, finden Tierschützer die kleine Bethlehem-Idylle im städtischen Weihnachtstrubel fehlplatziert. In einem offenen Brief an die Stadt Stuttgart fordern sie die Einstellung der lebenden Krippe. Sie sei „Purer Stress“ für die Tiere. „Ein Zur-Schau-stellen, wie auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt, dürfte nicht erlaubt werden, da die tier-und verhaltensgerechte Unterbringung nicht gewährleistet werden kann “, so Stephanie Kowalski, Tierärztin vom Verein Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg. Die Tierschützer warnen außerdem vor Weihnachtsmarktbesuchern, die Lebkuchen, Pommes & Co an die Tiere verfüttern – was tödliche Folgen haben könnten. Erfolg hatten Tierschützer bereits in Esslingen: 2013 wurde die lebende Krippe auf dem Esslinger Weihnachtsmarkt, aus Befürchtung vor Protesten, eingestellt.

Schäferin macht sich keine Sorgen um ihre Tiere

Anette Wohlfarth, Halterin und Mitglied im Landesschafzuchtverband, hält nicht viel von den Vorwürfen „Das hat mich nicht umgehauen“, erzählt Sie, „Tierschutz ist wichtig und muss ernstgenommen werden, bei unserer lebenden Krippe ist es aber nicht angebracht“. Seit 24 Jahren sei nie etwas passiert, das den Tieren geschadet hätte. „Sonst würde ich das auch nicht machen“, schildert die Schäferin. Die Tiere werden fachmännisch betreut, haben ausreichend Rückzugsmöglichkeiten und ein großes Gehege.

Damit diese Vorgaben eingehalten werden, wird die Krippe vom Veterinäramt, der Tierschutzbehörde und der Stadt Stuttgart kontrolliert, wie ein Sprecher der Stadt Stuttgart, mitteilt. „Es ist organisatorisch sichergestellt, dass die Tiere tagsüber fachmännisch betreut werden und das beschilderte Fütterungsverbot tags und nachts überwacht wird“, schreibt das Veterinäramt in einer Stellungnahme. Wenn abends die Weihnachtsmarktbuden schließen, werden die Tiere im hinteren Bereich der Krippe untergebracht, die Türen verschlossen und von einem Sicherheitsdienst bewacht, heißt es weiter.

Lukas darf bleiben

Stadt und Behörden sind sich einig: Die Krippe darf bleiben – unter einer Bedingung: Den Tieren muss es gut gehen. Einer gewissen Belastung seien die Tiere zwar ausgesetzt, heißt es in der Stellungnahme des Veterinäramts. Diese ergebe sich jedoch aus der Trennung von der Herde und sei kein Grund die lebende Krippe zu verbieten. Sollten sich bei Kontrollen des Veterinäramts Verhaltensänderungen abzeichnen, müssten Änderungen und der mögliche Rückzug in Betracht gezogen werden. „Natürlich würde ich meine Tiere zurückholen“, betont Wohlfahrt und fügt hinzu: „Ich mache das ja auch ehrenamtlich. Was habe ich davon, wenn es ihnen schlecht geht?“

„Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“ Im Lukas-Evangelium, das von Jesus Geburt berichtet, steht nichts von einem Esel oder gar Schafen. Die Verknüpfung der Tiere mit der Weihnachtsgeschichte stammt vom Propheten Jesaja aus dem Alten Testament: „Ein Ochse kennt seinen Besitzer und ein Esel die Krippe seines Herrn.“ Esel Lukas kennt seine Krippe, und diese steht seit 24 Jahren in Stuttgart.