Wenige Sportler und Zuschauer sind bei der 22. Auflage der Veranstaltung dabei. Über eine Rückkehr in die Altstadt wird nachgedacht. Ob das die erhoffte Wende bringt?
Was für ein Spektakel: Der 22. Gassenlauf des TV Marbach geht bei brütender Hitze mit spannenden Ausscheidungsrennen zu Ende. Dieses Format sei einmalig, sagt Achim Seiter. „Last Man, last Woman Standing“, so beschreibt der sportliche Leiter das Finale der ungewöhnlichen Laufveranstaltung. Nach jeder gelaufenen 400-Meter-Runde fliegt hier der langsamste Läufer beziehungsweise die langsamste Läuferin raus. Es gilt, von Anfang an taktisch und zugleich schnell zu rennen.
Nur drei Frauen sind am Start
Samstagabend, 18 Uhr. Die Stimmung der wenigen Zuschauer ist prächtig. Die drei besten Damen des Vorlaufs – und zugleich die einzigen drei Damen, die überhaupt mitmachen – treten an. Ein Dilemma. Nach wenigen Minuten steht fest: Annette Mattheis von der Anne-Franck-Realschule Marbach macht das Rennen.
Bei den Herren sind die zwölf besten von insgesamt 31 Startern des Vorlaufs im Finale. David Koeble aus Kuchen im Kreis Göppingen zieht auf und davon. Selbst der Gewinner des Vorlaufs, Lars Kaweczynski aus Freiberg, kann nicht mithalten. Im Ziel erzählt der Gewinner, dass er in keinem Verein trainiere, etwa 80 Kilometer wöchentlich laufe und im Vorjahr hier Platz drei geholt habe.
Gut vier Stunden vorher. Der erste Lauf von mehreren Kinder- und Schülerläufen wird auf der Schillerhöhe gestartet. Die Jüngsten laufen 111 Meter, die älteren Buben und Mädchen 400 Meter. Insgesamt sind laut Auskunft der Veranstalter etwa 80 Nachwuchssportler am Start. Beim Hauptlauf, den „61 Minuten von Marbach“, sind inklusive Staffeln rund 40 Jugendliche und Erwachsene gemeldet. Das seien viel zu wenige, sagt Achim Seiter, der mit einem gequälten Lächeln von „einer Katastrophe“ und „einem teuren Hobby“ spricht. Seiter ist in der regionalen Lauf- und Triathlon-Szene bekannt als Sprecher und Veranstalter. Er hat die Firma 3Komma8 Sportkultur-Service aufgebaut und ist zugleich seit rund 25 Jahren Mitglied des TV Marbach. Er verdiene mit diesem Gassenlauf keinen Cent, sagt Seiter. Und auch der TV Marbach mache mit dem Laufevent heuer leider kaum einen Euro, erzählt der Vorstand Effenberger. Viel Aufwand, kaum Ertrag. Der Gassenlauf stehe auf der Kippe.
Die Laufstrecke ist stellenweise spektakulär, führt vorbei am imposanten Schiller-Nationalmuseum und an der übergroßen Schiller-Statue. Bei den Herren schafft nur Lars Kaweczynski 15 Runden (1:01:21 Stunden), die Männer auf den Plätzen zwei bis zwölf laufen alle 14 Runden.
Leander Schittenhelm, ein ehemaliger Schüler des Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasiums, landet auf Platz zwölf. Er ist also im Finale – und weiß gar nicht, ob er sich freuen soll, denn um 18 Uhr will er eigentlich seine ehemaligen Schulfreunde bei einem Grillfest treffen. Antreten oder nicht? Diese Frage, sagt Seiter mit einem Augenzwinkern, „stellt sich doch gar nicht“. Leander müsse unbedingt mitlaufen. Der 21-jährige Student hat ein Einsehen, tritt kurz nach 18 Uhr noch mal an – und wird schließlich achter.
Rückkehr in die Altstadt?
Uli Lorenzen ist seit dem ersten Gassenlauf dabei. Das Format mit dem Ausscheidungsrennen als Finale, so der Marbacher, sollte eigentlich viele Zuschauer anlocken. Weil das nicht so ist, wünscht er sich die Rückkehr des Gassenlaufs in die Altstadt. 19-mal war ein anspruchsvoller Zehn-Kilometer-Lauf mit ordentlich Steigungen stellenweise auf Kopfsteinpflaster ausgewiesen worden. Nach Corona kam der Umzug auf die Schillerhöhe. Und es wird laut Effenberger in der Tat über eine Rückkehr in die Altstadt nachgedacht. Doch wenn wieder so wenige Sportler und Zuschauer kommen sollten, dann war’s das wohl mit dem Gassenlauf.