Um die Schwangerschaft ranken sich zahlreiche Mythen. Foto: imago/Panthermedia/tommyandone

Sex in der Schwangerschaft führt zu Wehen, die Form des Bauches verrät das Geschlecht des Kindes und jedes Kind kostet die Frau ein Zahn: Was an all den Mythen rund um die Schwangerschaft dran ist, erklärt die Gynäkologin Jutta Böhmler-Hahn.

Stuttgart - Eine schwangere Frau kann sich meist vor guten Ratschlägen von Freunden und Familie nicht retten. Da schleicht sich dann neben wirklich nützlichen Tipps auch der ein oder andere Mythos ein, der sich hartnäckig von Generation zu Generation hält. Oder hat Ihnen Ihre Mutter nicht auch erzählt, dass ein Mädchen der Mutter die Schönheit raubt? Oder, dass Sie von nun an für zwei essen müssen?

Aber nicht alle Ammenmärchen sind wahr und stammen meist aus einer ganz anderen Zeit. Wir klären mal mit den gängigsten Gerüchten rund um die Schwangerschaft auf.

1. Schwangere müssen für zwei essen

Nein, bitte nicht. Die Gewichtszunahme während einer Schwangerschaft sollte etwa zwischen 10 und 15 Kilogramm liegen. Dabei wiegt das Kind an sich etwa drei Kilo, ein Kilo wird circa für die Plazenta berechnet und noch einmal ein Kilo Fruchtwasser. Das sind im Schnitt nur fünf Kilo. Der Rest ist verändertes Gewebe mit Wassereinlagerungen durch den Östrogenanstieg – oder Fett, wenn man für zwei gegessen hat. Wichtig ist eine gesunde und vitaminreiche Ernährung. Und noch viel wichtiger: Kein Alkohol und keine Zigaretten!

2. Jedes Kind kostet ein Zahn

Das ist Quatsch. Zwar kommt es in der Schwangerschaft vermehrt zu Zahnfleischbluten und dadurch eventuell zu Entzündungen, aber wer regelmäßig zum Zahnarzt geht und dies auch in der Schwangerschaft tut, der braucht keine Zahnlücke befürchten. Mundhygiene sollte ja immer eine Rolle spielen. Solche Mythen kommen meist aus Mangelzeiten, als Frauen wenig Vitamine und Nährstoffe zu sich genommen haben.

3. Sport in der Schwangerschaft schadet dem Kind

Nein! Wenn eine Frau vorher Sport gemacht hat, kann sie diesen bei einer unbedenklichen Schwangerschaft auch weiterhin machen. Vorsicht allerdings bei Risikosportarten. Aber Schwimmen, walken, gehen, Fitness, das ist alles kein Thema. Auch Saunagänge sind durchaus erlaubt – kürzer und weniger extrem – aber es ist nicht verboten. Anders sieht es allerdings nach einer Blutung aus, da ist strikte Bettruhe angesagt. Oder auch, wenn die Plazenta falsch liegt, da dann die Gefahr besteht, dass die Frau verblutet. Das kommt aber sehr selten vor. Einfach auf sich und seinen Körper hören.

4. Die Art der Gelüste oder die Form des Bauches verrät das Geschlecht des Kindes

Das ist absoluter Blödsinn und wohl eher eine Beschäftigung für die Anderen. Medizinisch kann man das nicht beurteilen, ob Heißhunger auf Süßes ein Mädchen verspricht oder es bei einem spitzen Bauch ein Junge wird. Auch, dass Mädchen der Mutter angeblich die Schönheit rauben, ist Quatsch. Die Haut und das Gesicht verändern sich immer in der Schwangerschaft.

5. In der Schwangerschaft wachsen die Füße

Nicht direkt. Durch die Gewebeveränderung kann es schon sein, dass sich das Knochengewölbe im Fuß ebenfalls verändert. Aber hauptsächlich werden die Füße durch Wassereinlagerungen dicker. Das geht aber nach der Geburt wieder zurück und die geliebten Schuhe sollten wieder passen.

6. Winterkinder werden später kränklicher

Nein. Gar nicht. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Jahreszeit und der Anfälligkeit für Krankheiten. Der Nestschutz der Mutter ist im Winter oder Sommer ja gleich. Dieser Mythos stammt vermutlich von früher.

7. Schwangerschaft macht vergesslich

Das ist Quatsch. Frau ist während ihrer Schwangerschaft nicht mehr oder weniger vergesslich als sonst. Allerdings legen viele werdende Mütter andere Prioritäten und plötzlich ist anderes viel wichtiger und das ein oder andere fällt dadurch hinten über. Aber vergesslicher werden Schwangere nicht.

8. Sodbrennen weißt auf viele Haare beim Baby hin

So ein Schwachsinn. Sodbrennen in der Schwangerschaft kommt daher, dass die Gebärmutter den gesamten Darm samt Zwerchfell hochdrückt. So kann es dazu kommen, dass der Schließmuskel zwischen Speiseröhre und Magen nicht mehr richtig schließt und Magensäure aufsteigt.

9. Einmal Kaiserschnitt, immer Kaiserschnitt

Nein. Das ist heutzutage kein Muss mehr. Es kommt allerdings darauf an, warum und wie der Kaiserschnitt durchgeführt wurde oder auch, wie groß das erste Kind war. Früher hat man beispielsweise bei Frühchen einen Längsschnitt gemacht. Heute setzt oder ritzt man eher einen kleinen Schnitt am Übergang zwischen Gebärmutterhals und Gebärmutterkörper. Aber die Angst bei einer Folgeschwangerschaft, dass die frühere Naht reißt, ist immer da. Denn Narben sind nie so dehnbar und flexibel wie das natürliche Gewebe. Daher versucht man eigentlich, bei der ersten Schwangerschaft einen Kaiserschnitt zu vermeiden, um diese Risiken bei einer weiteren auszuschließen.

10. Sex während der Schwangerschaft löst Wehen aus

Das kann sein. In Sperma sind Postaglandine enthalten, die setzt man auch zum Wehenauslösen ein. Allerdings bräuchte man da schon recht viel Sperma, um den gleichen Effekt zu erzielen. Zur Sicherheit Kondome verwenden, aber bei einer normalen Schwangerschaft können Sie so viel Sex haben, wie Sie wollen. Ausnahmen gibt es – wie beim Sport – aber auch beim Sex. Früher hat man auch gerne Frauen vor der Geburt einen Einlauf gemacht, da dies Wehen anregen kann. Wer also gerne Analsex hat, sollte vorsichtig sein. Aber ansonsten ist Sex gut.

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