Er will nicht, sie schon. Verkehrte Welt? Unsere Kolumnistin meint, wir sollten unsere Rollenbilder überdenken und der Realität anpassen. (Symbolfoto) Foto: stock.adobe.com/BillionPhotos.com

Männer sind allzeit bereit, den Akt zu vollziehen? Dieses Bild geistert in den Köpfen vieler Menschen rum. Warum diese Erwartungshaltung falsch ist und wie wir stattdessen auf moderne Männer blicken sollten, erklärt unsere Kolumnistin Claudia Elizabeth Huber.

Stuttgart - Beim Durchlesen häufiger Fragen, die mir als Sex-Psychologin gestellt werden, bin ich immer wieder auf folgende gestoßen: Mein Mann hat keine Lust auf Sex – was soll ich tun? Was ist also dran an den verbreiteten Annahmen, dass Frauen oft nicht wollen und Männer eigentlich immer? Ich finde, wir sollten da ein paar Dinge grundlegend überdenken – auch was den Blick vieler Frauen auf Männer angeht. Denn wenn Mann nicht will oder kann, sind einige Frauen nicht gerade zimperlich.

Dabei sollten sie genauso beutlich vorgehen, wie sie es bei sich selbst wahrscheinlich gerne sehen würden: Nicht nörgeln, keine Erektion herbeizwingen, trotzdem Anerkennung zeigen.

Trotzdem vollwertige Männer

Und auch Männer reagieren gerne entschuldigend und wähnen sich dabei in einer untypischen Situation, denn als Mann keinen Sex wollen – geht ja nicht! Männer, die ihren Mann im Bett nicht stehen können, sind auf einem Loser-Ast und überhaupt, für vermeintlich richtige Männer gibt es eigentlich gar keine Möglichkeit als Stressabbau über Sex; das sind die verbreiteten Männerbilder.

Das sind Bilder, von denen wir uns – das gilt für Frauen und die Männer selbst gleichermaßen – lösen sollten. Denn die Gründe für Unlust sind ziemlich geschlechterunabhängig. Stress kann ein Lustkiller sein, der Hormonhaushalt in Langzeitbeziehungen sinkt auch bei Männern und gerade in längeren Partnerschaften ist vielen intimes Kuscheln wichtiger als Orgasmen.

Wem das befremdlich vorkommt, dem sei gesagt: Auch bei den Männern gab es sie wahrscheinlich schon immer, die lustlosen. Nur ändern sich erst heute die Geschlechterrollen so, dass man über solche Themen reden kann. Eine wichtige Chance – denn auch für Männer ist wichtig, zu wissen, dass sie auch mal keinen Bock haben dürfen – und trotzdem vollwertige Männer sind.

Keine Erpressung reinbringen

Wirklich etwas gelernt werden kann dabei aber nur, wenn beide Geschlechterseiten Verständnis aufbringen. Liebe Frauen, es ist ein Fehler, die Unlust des anderen persönlich zu nehmen. Macht nicht den gleichen Fehler und reagiert genauso unempathisch, wie es viele Männer sehr lange getan haben. Lernt stattdessen den Unterschied zwischen einer Drohung und der Fähigkeit, einen starken Wunsch zu äußern. Sprecht darüber, was man machen kann, damit beide zufrieden sind und versucht, keine Erpressung reinzubringen.

Es gilt auch: Leute mit einem „Lustproblem“ reden generell nicht viel darüber, stattdessen googeln sie sich lieber durch das Netz, um zu erfahren, dass sie damit nicht alleine sind. Für den Part, der mehr Lust hat, macht das die Sache aber nicht einfacher. Darum auch im Gespräch die Initiative ergreifen. Denn auch ein lustloser Mann, der sieht, dass sein Gegenüber auf seine Emotionen achtet, wird sich leichter tun, dasselbe zu machen.

Unsere Kolumnen-Reihe „Lasst uns über ... reden“ über Liebe, Sex und Intimes – alle Folgen im Überblick

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