Scheitert die CDU in Niedersachsen, könnte das auf Parteichef Friedrich Merz zurückfallen. Foto: dpa/Philipp Schulze

Bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag geht es auch um die Stabilität der Ampelkoalition im Bund. Es ist der letzte Stimmungstest vor einem Winter, der politisch anstrengend werden dürfte.

Auf den letzten Metern des Wahlkampfs greift noch einmal die Berliner Prominenz ins Geschehen ein. Kanzler Olaf Scholz kommt zur Abschlusskundgebung der SPD nach Hannover, Oppositionsführer Friedrich Merz zu der der CDU. Finanzminister Christian Lindner ist bei den niedersächsischen Liberalen zu Gast und Grünen-Chef Omid Nouripour bei seinen Parteifreunden aus der Region. Keiner will sich später vorwerfen lassen, nicht alles gegeben zu haben.

Am Sonntag wird im flächenmäßig zweitgrößten Bundesland der Republik ein neuer Landtag gewählt. Aus Sicht der Bundesparteien gibt es allen Grund, den Kandidaten in Niedersachsen nach Kräften den Rücken zu stärken. Die Kanzlerpartei SPD, die auf Bundesebene ziemlich schwächelt, setzt auf eine Wiederwahl ihres populären Ministerpräsidenten Stephan Weil. Gelingt dies, könnte das auch den sozialdemokratischen Stern in Berlin wieder heller leuchten lassen. Die Wahlpleiten in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen aus dem Frühjahr stecken den Genossen noch in den Knochen.

Fliegt die FDP aus dem Landtag?

Jüngste Umfragen legen nahe, dass die SPD als stärkste Kraft aus der Landtagswahl hervorgehen dürfte. Die CDU aber hat die Hoffnung nicht aufgegeben, mit Spitzenkandidat Bernd Althusmann einen Machtwechsel in Hannover hinzubekommen – womöglich mit den Grünen als Juniorpartner so wie in Kiel und Düsseldorf. Das würde die SPD im Bund deutlich schwächen. Noch ist die niedersächsische CDU selbst der Juniorpartner in einer rot-schwarzen Koalition.

Parteichef Merz teilte folglich in dieser Woche kräftig gegen Scholz und Weil aus: Als am Dienstag ein Bund-Länder-Treffen zur Gaspreisbremse und zum Entlastungspaket ohne Ergebnisse blieb, sprach Merz von einem „Abend der verpassten Chancen“, der die Bürger verunsichert zurücklasse. Verantwortlich dafür seien allein Scholz sowie Weil in dessen Eigenschaft als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. SPD-Chef Lars Klingbeil, selbst ein Niedersachse, keilte zurück und warf Merz „Bockigkeit“ vor. Merz blinkt gerade kräftig nach rechts, insbesondere in der Flüchtlingspolitik. Scheitert Althusmann in Hannover, könnte das auf den Parteivorsitzenden zurückfallen.

Die Grünen können in Niedersachsen mit einem Rekordergebnis und dem Wiedereinzug ins Landeskabinett rechnen, was die Partei als Bestätigung ihres Kurses in der Bundesregierung werten dürften. Die FDP muss damit rechnen, aus dem Landtag zu fliegen. Kommt es dazu, könnte dies die Kompromissbereitschaft der Liberalen in Berlin arg mindern, warnt ein führender Koalitionär. Die Linke wird es voraussichtlich nicht ins Landesparlament schaffen. Die AfD hingegen schon, und das deutlich. Sie dürfte von der Unzufriedenheit angesichts schnell steigender Lebenshaltungskosten profitieren.

Atom-Thema hat große Symbolkraft

Der Urnengang in Niedersachsen ist nach den Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen der letzte große Stimmungstest in diesem Jahr. Und abgesehen von den Bürgerschaftswahlen im kleinen Bremen Mitte Mai 2023 stehen dann erst in gut einem Jahr wieder größere Wahlen an – in Bayern und Hessen. Wenn man so will, geht es aus Bundessicht für die Parteien darum, sich eine gute Ausgangsposition für die kommenden Monaten zu verschaffen. Die werden anstrengend. Daran kann es angesichts von Ukraine-Krieg, Gasknappheit, steigenden Flüchtlingszahlen und Corona keinen Zweifel geben.

Ohnehin ist es so, dass im Wahlkampf in Niedersachsen längst die nationalen Fragen dominieren, allen voran die Energiesicherheit. Das erklärt, warum CDU und FDP gerade so vehement für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke plädieren. Sie versuchen, ihr wirtschaftspolitisches Profil zu schärfen. Das Thema hat in Niedersachsen große Symbolkraft: Das Land ist eine Hochburg der Anti-Atom-Bewegung und führend in der Windkraft.