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Ab April greift die neue Tarifreform. Der Landkreis Esslingen wird davon besonders profitieren, die Tickets werden bis zu 50 Prozent billiger.

Kreis EsslingenLandrat Heinz Eininger spricht von einem „enormen Anreiz, auf Bus und Bahn umzusteigen“. Horst Stammler, der Geschäftsführer des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart GmBH (VVS), hält die Tarifreform für eine „Sternstunde für den Nahverkehr“. Ab 1. April wird das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel in der Region nicht nur einfacher und übersichtlicher, sondern vor allem kostengünstiger. Für die VVS-Kunden bedeute die Reform eine durchschnittliche Ersparnis von 25 bis 30 Prozent, so Stammler. In besonderer Weise wird der Landkreis Esslingen profitieren, wo laut Landrat Eininger ein Ticket in Einzelfällen künftig sogar nur die Hälfte kosten wird. Und keiner zahle mehr als bisher.

Hier können Sie die Ersparnis bei den Tickets auf Ihrer Strecke berechnen:

An zwei Beispielen lassen sie die Vorteile für die Bewohner des Landkreises festmachen. So kostet das Einzelticket von Esslingen nach Stuttgart künftig statt 4,20 nur noch 2,90 Euro, was eine Ersparnis von 30 Prozent bedeutet. Für die Fahrt zum Flughafen/Messe werden nicht mehr 4,20 Euro, sondern 2,50 Euro fällig (minus 40 Prozent).

Der Kern der Reform: Das Tarifsystem besteht künftig nur noch aus fünf Ringzonen im VVS-Kerngebiet statt wie bisher aus mehr als 50 Zonen. In Stuttgart werden die beiden Zonen 10 und 20 zur neuen Zone 1 zusammengelegt, die das gesamte Stadtgebiet umfasst. Außerdem fallen die Sektorengrenzen in den einzelnen Ringen weg und die zwei Außenringe 60 und 70 werden zur neuen Zone 5 vereinigt. Dort liegen künftig zum Beispiel Kirchheim/Teck und das gesamte Lenninger Tal in einer Zone. Im Landkreis Esslingen sinkt die Zahl der Zonen deshalb von 15 auf nur noch vier. Das bedeutet: Für viele Fahrgäste wird es dann günstiger. „Wir versprechen uns davon, dass noch mehr Menschen den VVS nutzen und so der Autoverkehr in der Region spürbar zurück geht“, sagt Geschäftsführer Stammler. „Manche Stammkunden sparen sogar 200 bis 300 Euro im Jahr.“

Vor allem der ländliche Raum profitiert

Von der Tarifreform profitiert im Kreis Esslingen besonders der ländliche Raum, der bisher in den 70er-Ring eingruppiert war, wie zum Beispiel Weilheim oder Neuffen. Von dort sind es künftig zwei Zonen weniger nach Stuttgart. Auch die tangentialen Verbindungen werden deutlich günstiger. Der gesamte Filderraum von Esslingen über Ostfildern, den Flughafen und Filderstadt bis Leinfelden-Echterdingen bildet künftig eine einzige Tarifzone. Bisher waren es vier Zonen. „Wer keinen unmittelbaren Preisvorteil hat, profitiert aber auf jeden Fall davon, dass er zum gleichen Preis weiter fahren kann wie früher“, so Stammler weiter. „Außerdem profitieren alle davon, dass es dieses Jahr keine Tariferhöhung gibt.“ Damit setzen wir einen starken Impuls für eine bessere Umwelt“, sagt Landrat Eininger. Denn mehr Pendler in Bussen und Bahnen bedeuteten weniger Autos auf den Straßen und damit weniger Staus und Abgase. Im Esslinger Kreistag herrscht seit Jahren eine große Unzufriedenheit mit dem aktuellen VVS-Tarifsystem. Hauptkritikpunkt: Durch die große Zahl von Tarifzonen werde der Landkreis Esslingen gegenüber anderen Landkreisen und der Landeshauptstadt benachteiligt. Die Verhandlungen waren lang und schwierig, insbesondere wegen der erforderlichen Kostenübernahme durch die öffentliche Hand. Weil viele Fahrgäste künftig weniger Zonen befahren und einen geringeren Fahrpreis entrichten, müssen die Verkehrsunternehmen mit deutlich niedrigeren Einnahmen rechnen.

Pro Jahr rechnet man mit einem Zuschussbedarf von mehr als 42 Millionen Euro. Je nach Erfolg der Reform muss allein der Landkreis Esslingen pro Jahr bis zu 6,5 Millionen Euro mehr zuschießen. Damit werde der Landkreis künftig im Jahr über 30 Millionen Euro für den öffentlichen Nahverkehr ausgeben, erklärt Landrat Eininger. Die Schülerbeförderung sei in diese Summe gar nicht eingerechnet. Das baden-württembergische Verkehrsministerium hat zugesagt, die Tarifreform aus Gründen der Luftreinhaltung mit jeweils einer „Jahresscheibe“ in Höhe von insgesamt 42 Millionen über einen Zeitraum von sechs Jahren zu unterstützen. Die Landkreise und die Landeshauptstadt Stuttgart schultern die restlichen Kosten. 55 Prozent tragen die Landkreise und 45 Prozent die Stadt Stuttgart.

Beim VVS ist man optimistisch, dass die Tarifreform eine deutliche Steigerung der Fahrgastzahlen zur Folge hat. Während bisher mit einem jährlichen Plus von zwei Prozent kalkuliert wurde, wolle man künftig um fünf Prozent pro Jahr wachsen, sagt Stammler. „Wir wollen mit der Reform einen Zahn zulegen.“ Doch man müsse Geduld haben. „Das ist ein langsamer Prozess.“ Das habe sich zuletzt bei dem vor drei Jahren eingeführten Azubi-Abo gezeigt. Von anfangs 20 000 Abos habe man sich bereits auf 36 000 steigern können. Für Landrat Eininger ist klar: „Wenn die Nachfrage steigt, müssen wir auch die Kapazitäten ausbauen.“ Allein der Landkreis Esslingen gibt für die Verlängerung der U5 und der U6 sowie der S2 rund 25 Millionen Euro aus. „Auch den Busverkehr wollen wir aus weiten“, so der Kreischef. Dabei stünden vor allem die Anbindungen an die S-Bahn und den sonstigen Schienenverkehr im Fokus. Gemeinsam mit dem VVS und den Verbundlandkreisen erarbeite man ein Konzept.