Pflegende Angehörige unterschätzen oft die Belastungen, die auf sie zukommen- Doch es gibt Hilfsangebote. Foto: dpa/Holger Hollemann

In Filderstadt ist einer von sieben Teilpflegestützpunkten des Landkreises. Seit 2014 hat sich allein dort der Beratungsbedarf mehr als verdoppelt. Die Verwaltung will nun personell aufstocken. Wie sind die Prognosen?

Es ist ein Fall von vielen: Der 87-Jährige ist Wittwer und lebt allein. Er leidet an einer beginnenden Demenz, zudem ist er stark schwerhörig. Schon mehrfach hat er sich in seinem Heimatort Filderstadt verlaufen. In seiner Wohnung lagern teils verdorbene Lebensmittel, seine Medikamente liegen verstreut herum. Ob er sie regelmäßig einnimmt, ist unklar. Die beiden generalbevollmächtigten Schwestern leben im Ausland und sind selbst betagt. In ihrer Not wenden sich zwei Freunde des Seniors an den Pflegestützpunkt. Am Ende werden es aber 1045 Minuten und 36 Vorgänge gewesen sein, in denen sich die Filderstädter Pflegeberaterin Sabrina Vetter um einen Hausnotruf, ein neues Hörgerät, Essen auf Rädern, um die finanzielle Situation des alten Mannes, um die Frage der Vollmacht, um eine Pflegestufe und einen ambulanten Pflegedienst, um hauswirtschaftliche Unterstützung und vieles, vieles mehr gekümmert hat.

Der Pflegestützpunkt Filderstadt wurde 2012 als einer von sieben Teilpflegestützpunkten im Landkreis Esslingen eingerichtet. Die Träger sind der Landkreis, die Großen Kreisstädte Esslingen, Filderstadt, Kirchheim, Leinfelden-Echterdingen, Nürtingen und Ostfildern sowie die Kranken- und Pflegekassen. Die Stützpunkte beraten individuell und vor allem kostenfrei Angehörige und Betroffene, wenn Hilfebedürftigkeit und eine Pflegesituation eintreten. Welche Unterstützung gibt es vor Ort, wie sind Anträge zu stellen, und wie funktioniert das mit dem Pflegegrad?

Seit 2014 hat sich die Zahl der Beratungen mehr als verdoppelt

Sabrina Vetter ist in Filderstadt der personifizierte Pflegestützpunkt. Sie ist die einzige Beraterin für die mehr als 46 000 Menschen in der Stadt. 0,8 Prozent ihrer Stelle finanzieren der Kreis sowie die Pflege- und Krankenkassen, die restlichen 0,2 Prozent legt die Stadt als Freiwilligkeitsleistung drauf. Doch die eine Stelle reicht längst nicht mehr. Seit 2014 hat sich die Zahl der Beratungen mehr als verdoppelt, wurde in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Soziales bekannt. 1305 Beratungen von 592 Einzelpersonen waren es allein im vergangenen Jahr.

Nun soll personell aufgestockt werden, wieder aus kommunaler Kasse. Eine neue 50-Prozent-Sachbearbeitungsstelle für den Pflegestützpunkt soll geschaffen werden. Knapp 35000 Euro pro Jahr wird das kosten, die Stadträte waren sich aber einig, dass Filderstadt die Stelle braucht, denn der demografische Wandel lässt sich nicht aufhalten, zumal die Fälle immer komplexer werden. „So treten vermehrt Beratungsfälle auf, in denen alleinstehende Personen oder Personen, deren Angehörige weit entfernt leben, auf intensive Unterstützung durch den Pflegestützpunkt angewiesen sind“, heißt es in der Vorlage der Verwaltung. Auch sei zu beobachten, dass sich die Versorgung älterer Menschen aufgrund fehlender Kapazitäten in der ambulanten und stationären Pflege zunehmend schwierig gestalte. „In Filderstadt gibt nur noch vier mobile Pflegedienste, im Jahr zuvor waren es noch fünf gewesen“, erklärte Sabrina Vetter in der Sitzung. Der Verwaltungsausschuss und der Gesamtgemeinderat von Filderstadt werden der Stellenaufstockung auch noch zustimmen müssen.

Viele Pflegebedürftige werden ambulant versorgt

Grundsätzlich wird sich im gesamten Landkreis Esslingen etwas tun müssen, denn die Zahl der Betagten nimmt stetig zu. IM Jahr 2019 gab es im Kreisgebiet 20 908 ältere und pflegebedürftige Menschen. Hochrechnungen prognostizieren für 2035 eine Entwicklung auf 26 733 Menschen; plus 27,9 Prozent. „Es ist somit anzunehmen, dass auch die Anzahl der Anfragen nach Pflegeberatung weiter analog steigen wird“, heißt es in der Vorlage. Diese Entwicklung gehe einher mit einer zunehmenden Ambulantisierung. Die Hochrechnungen für Filderstadt zeigten, dass 2035 von prognostizierten 2280 Pflegebedürftigen bis zu 1870 Personen ambulant versorgt würden und somit zur Zielgruppe des Pflegestützpunktes gehörten. Das entspricht 82 Prozent aller Pflegebedürftigen.

Wohnortnahe Beratung

Standorte
Das Thema Pflege und Beratung ist beim Landkreis angesiedelt. Informationen und Hilfe gibt es im Kreis Esslingen dezentral bei den Teilpflegestützpunkten. Um eine möglichst wohnortnahe Beratung zu ermöglichen, gibt es hier eine flächendeckende Beratung an 16 Standorten.

Karte
Auf www.landkreis-esslingen.de sind unter dem Suchbegriff „Pflegestützpunkte“ eine Karte mit den Beratungsstellen, eine Liste von Ansprechpersonen und weitere Infos zu zahlreichen Pflegethemen und zu den Versorgungsstrukturen hinterlegt. Flyer sind in mehreren Sprachen abrufbar. car