Auch im Kreis Esslingen haben zahlreiche Unternehmen für ihre Beschäftigten Anträge auf Kurzarbeit gestellt. Foto: IMAGO/Herrmann

Die schwächelnde Konjunktur hat auch den Landkreis Esslingen mit voller Wucht erwischt. In etlichen Firmen gibt es bereits Kurzarbeit. Und die Aussichten für das nächste Jahr sind alles andere als gut.

Die Vorzeichen stehen schlecht: Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland lahmt nach wie vor. Ganz gleich welche Studie, Umfrage oder Statistik man auch heranzieht: Die Aussichten für das nächste Jahr schwanken erneut zwischen dürftig und fatal. In den meisten Branchen haben die Unternehmen zu wenig Aufträge. Es drohen weitere Preiserhöhungen bei anhaltender Kaufzurückhaltung der Kunden. Vom allseits geforderten Abbau der überbordenden Bürokratie, die viele Milliarden Euro kostet, ist nichts zu sehen. Die Wirtschaftsweisen sprechen von einer „bleiernen Decke“. Ein Aufschwung ist nicht in Sicht.

Vor diesem Hintergrund ist es fast schon ein Wunder, dass die Kurzarbeiterzahlen noch nicht explodieren. Gleichwohl geht der Trend auch im Landkreis Esslingen seit geraumer Zeit stetig nach oben. Binnen eines Jahres haben sich die Zahlen verdoppelt. Die Göppinger Arbeitsagentur, die auch für den Esslinger Raum zuständig ist, spürt diese Tendenz zunehmend. Vor allem in der jüngeren Vergangenheit sind die Anzeigen über Personen in Kurzarbeit gestiegen. „Nach unserer Wahrnehmung wachsen das Interesse und die Nachfrage der Betriebe nach Beratung zum Kurzarbeitergeld“, sagt die Agenturleiterin Karin Käppel. Vor allem das produzierende Gewerbe, insbesondere Firmen, die Metall- und Elektroerzeugnisse herstellen, würde Kurzarbeit anzeigen, ergänzt sie.

Noch droht kein Stellenabbau

Dabei zehren etliche Firmen immer noch von den vollen Auftragsbüchern der Vergangenheit. Doch weil sich diese einerseits nach und nach leeren und andererseits nicht viel Neues nachkommt, wird gerade bei den großen Konzernen auf Sicht gefahren. Betroffen davon sind natürlich auch die Zulieferer, etwa die Eberspächer Gruppe aus Esslingen. Für Anja Kaufer, die stellvertretende Kommunikationschefin des Automobilzulieferers, „ist die konjunkturelle Situation mit sinkenden Kundenabrufen spürbar, insbesondere bei Produkten rund um die E-Mobilität, die wir für deutsche Automobilhersteller liefern“. Die Lage bleibe für die nächsten Monate mit Unsicherheit behaftet. „Deshalb müssen die Kosten gesenkt und die Planungen entsprechend angepasst werden. Kurzarbeit oder einen größeren Stellenabbau gibt es am Standort Esslingen aktuell aber nicht“, betont Kaufer.

Am Standort Esslingen gibt es bei Eberspächer derzeit keine Kurzarbeit. Foto: Roberto Bulgrin/bulgrin

Bei den Esslinger Index-Werken, einem der weltweit führenden Hersteller von CNC-Drehmaschinen, ist das anders, auch wenn der Montagestandort in der Slowakei ausgebaut werden soll. Teilbereiche der Firma sind schon in Kurzarbeit. Und es steht nach den Worten von Geschäftsführer Dirk Prust bereits fest, „dass die Kurzarbeit zu Jahresbeginn ausgeweitet wird“. Ein aktiver Stellenabbau erfolge zwar nicht, jedoch werde die natürliche Fluktuation nicht durch Neueinstellungen kompensiert, ergänzt er. Der Index-Chef blickt für das ablaufende Jahr „erneut auf einen Rückgang beim Auftragseingang sowie beim Umsatz“, und er erkennt „auf absehbare Zeit keine Impulse, die die Marktsituation verbessern könnten“.

Breites Portfolio federt Krise ab

Etwas anders ist die Situation bei der Esslinger Festo-Gruppe. Dort sei die konjunkturelle Krise zwar ebenfalls zu spüren, wie Christian Österle ausführt, der Leiter Unternehmenskommunikation. Es gebe aber keine Kurzarbeit. „Da wir in zahlreichen Branchen und Märkten vertreten sind, hilft uns das, diesen Abschwung teilweise abzufedern.“ In den nächsten Monaten sei bei Festo daher weder mit Kurzarbeit noch mit einem Stellenabbau zu rechnen. Österle erwartet für die kommende Zeit zwar weiterhin ein stark schwankendes Marktumfeld. „Da unser Fokus aber auch auf vielversprechenden Zukunftstechnologien liegt, sind wir zuversichtlich, dass Festo unmittelbar von einem wirtschaftlichen Aufschwung profitieren wird, sobald die Konjunktur wieder anzieht – in bestehenden wie auch in neuen Märkten.“

Alessandro Lieb, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Esslingen, versichert zunächst ausdrücklich, „kein Freund von Schwarzmalerei“ zu sein, spricht aber nichtsdestotrotz von einer „im Moment sehr schwierigen Ausgangslage“. Viele Betriebe, in denen es Kurzarbeit gebe, kämen mittlerweile an das Ende der zwölfmonatigen Bezugsdauer, weswegen es dringend Lösungen brauche – nicht zuletzt struktureller Art. „Denn da hilft Kurzarbeit nur bedingt“, stellt Lieb klar. Er erwarte daher von der Politik, dass da für den Industriestandort im nächsten Jahr etwas passiere. „Bleiben diese Impulse aus, brauchen wir sehr bald schon nicht mehr über drohende Kurzarbeit sprechen, sondern über weit Schlimmeres“, sagt der Bevollmächtigte der IG Metall.

Kurzarbeit kann nicht einfach mal so beantragt werden

Voraussetzung
 Kurzarbeitergeld gibt es nur, wenn die betroffenen Beschäftigten durch Arbeitsausfall weniger Entgelt bekommen. In einem Betrieb muss dafür bei mindestens einem Drittel der Beschäftigten ein Verdienstverlust von mehr als 10 Prozent vorliegen. Bevor Kurzarbeit möglich ist, müssen Überstunden sowie Arbeitszeit- und Urlaubskonten abgebaut werden. Auch Minusstunden sind einzubringen, falls die jeweiligen Arbeitsvereinbarungen das zulassen.

Konditionen
 Das Kurzarbeitergeld beläuft sich auf 60 Prozent des ausgefallenen Nettoentgelts. Wer mindestens ein Kind hat, bekommt 67 Prozent. Anträge können allerdings nur die Betriebe stellen, nicht die Beschäftigten. Dazu muss bei der zuständigen Arbeitsagentur ein drohender Arbeitsausfall „angezeigt“ werden – und zwar spätestens in dem Monat, in dem die Kurzarbeit beginnen soll. Wird die „Anzeige“ von der Arbeitsagentur bewilligt, kann das Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Monat beantragt werden.