Kummer macht auf seiner „Bye, bye, Kummer“-Tour Station in Stuttgart. Foto: Lichtgut - Ferdinando Iannone/Ferdinando Iannone

Mehr als Jux und Gaudi: Kummer rappt in der Porsche-Arena über die Schattenseiten des Lebens, und die Band Blond ist auch dabei.

Der Künstler heißt Kummer. Tut einem da vielleicht das Herz weh, kommt man zum Weinen in die Porsche-Arena, am Dienstagabend? Mitnichten. Felix Kummer hat zwar eindeutige Vorsätze („Ich mach’ Rap wieder traurig“, verspricht er), aber er setzt sie scharf und schnell um. Er ist ein Energiebündel, ein großer Reimer, der ganz alleine auf der Bühne steht und 4800 Menschen mitreißt. Oder besser: fast alleine. Denn Felix Kummer hat Verwandte. Und die sind auch da.

Blond heißen sie. Sie sind zu dritt, kommen als seine Vorband mit Keyboard, Schlagzeug, schwerem E-Bass und sehr bunten Kleidern. Blond bestehen aus Johann Bonitz sowie Lotta und Nina Kummer, die, wie Felix Kummer, Kinder von Jan Kummer sind, dem Sänger der avantgardistischen DDR-Band AG Geige. Einen zweiten Bruder gibt es auch noch, Till, der gemeinsam mit Felix zur Band Kraftklub gehört. Felix trat als Solist unter einer einigen Pseudonymen in Erscheinung – als Felix Brummer, Bernd Bass oder Carsten Chemnitz – und lieferte knapp vor Pandemie sein erstes Album unter dem eigenen (Nach-)Namen ab. Um „Kiox“ in Umlauf zu bringen, eröffnete er kurzerhand einen Plattenladen in seiner Geburtsstadt Chemnitz.

„Keine verweichlichte Befindlichkeitsscheiße“

Kummer deutet an, dass das Soloprojekt bald Vergangenheit sein wird, dass er diese Lieder nur noch wenige Male singen wird. Aber bald schon wird er mit Kraftklub wieder in Stuttgart auftreten: dann einen Steinwurf weiter in der Schleyerhalle. Seine beiden Schwestern wollten auf der Bühne mehr als nur Jux und Gaudi, feierten mit den Frauen in der Arena ihre Periode; Felix Kummer nun singt stolz von den Schattenseiten des Lebens, von den elenden Typen, der kaputten Gesellschaft, dem Selbsthass und der Hip-Hop-Szene: „Echte Männer weinen nicht, / auf jeden Fall machen sie keine/ verweichlichte Befindlichkeitsscheiße wie ich“, rappt er freundlich, böse, funkensprühend – und das Publikum flippt aus.

Die Musik, die ihn begleitet, ist hart und trocken produziert: Beats und sehr, sehr schwere Bässe, die nur manchmal durch sparsam eingestreute Melodien aufgelockert werden oder durch noch sparsamere Chöre. Einmal sind Blond kurz mit ihm auf der Bühne; auf Kummers Album ist Max Raabe zu hören, der für ihn singt: „Ich bin zu alt, um jung zu sterben, aber ich hab’s versucht.“

Menschen tanzen in der Mitte der Halle

Felix Kummer hat nur ein großes, flirrendes Lichtelement im Rücken; er ist manchmal nur ein Schatten auf dieser Wand. Er bückt sich, krümmt sich angespannt, schießt empor, balanciert mit den Spitzen seiner weißen Turnschuhe auf der Kante des kleinen Podests, das seine ganze Bühne ist. Er trägt T-Shirt und bringt ein Stück, in dem er viele Markennamen wüst beschimpft. Er weiß: Seine Fans brauchen so etwas nicht. Sie singen mit ihm: „Ich bin ein Misanthrop, ich hasse alle Menschen gleich. Aber vielleicht, nur ganz vielleicht, bist du okay.“

Natürlich hat er auch Songs von Kraftklub dabei. Und er zaubert den schönsten Moshpit, den die Porsche-Arena vielleicht je gesehen hat: Kummer ruft, ein freier Kreis bildet sich in der Mitte der Halle und füllt sich schlagartig mit tanzenden Menschen.