Kriminelle arbeiten beim Telefonbetrug teilweise hochprofessionell. Meist haben sie es auf ältere Menschen abgesehen. (Symbolbild) Foto: picture-alliance/ dpa/Jochen Lübke

Das Telefon klingelt, die Rentnerin hebt ab und oft reibt sich der Betrüger später die Hände. Millionensummen erbeuten Unbekannte, weil sie sich bei älteren Menschen als angebliche Enkel oder Polizisten ausgeben konnten.

Stuttgart - Es ist die alte Masche: Sogenannte falsche Polizisten rufen bei Rentnern an und gaukeln ihnen vor, Hab und Gut seien durch Verbrecher bedroht. Oder es sind die angeblichen Enkel in Notlagen, die die Senioren um viel Geld bringen. Mit gewaltigem Erfolg: Denn allen Warnungen und Kampagnen der Polizei zum Trotz haben Betrüger im vergangenen Jahr mit dem sogenannten Enkeltrick und als falsche Polizisten rund 10,5 Millionen Euro erbeutet. Die Zahl der bekannten Fälle habe sich im Vergleich zum Jahr davor fast verdoppelt, wie aus der jüngsten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Landes hervorgeht.

„Insbesondere das Phänomen falscher Polizeibeamter gewinnt zunehmend an Bedeutung“, heißt es in der PKS. Die Schadenssumme in diesem Bereich lag im vergangenen Jahr bei 7,45 Millionen Euro nach 6,78 Millionen Euro im Jahr davor. Registriert wurden rund 13 900 Fälle (2018: 7256). Dazu gehört auch der Betrug an einer 85-Jährigen, die im vergangenen November Schmuck im Wert von 750 000 Euro an mehrere Betrügerinnen und Betrüger verlor. Die weitaus meisten Betrüger(13 600 Fälle oder 98 Prozent) scheitern allerdings bereits beim Anruf oder spätestens an der Haustüre ihrer Opfer.

Täter geben sich als Polizisten aus

Bei der Betrugsmasche geben sich die Täter am Telefon als Polizisten aus und bringen das oft alleine lebende Opfer dazu, einem Boten Geld oder Wertsachen zu geben. Manche überzeugen ältere Menschen davon, dass die Polizei vermeintliches Falschgeld prüfen muss. Andere versichern, die Beamten würden Bargeld und Wertsachen vor Kriminellen retten, die einen Einbruch planten. Bei einer neueren Masche wird den Opfern vorgelogen, es liege ein Haftbefehl gegen sie vor. Gegen eine zu überweisende Kaution in Höhe von mehreren Tausend Euro könne dieser ausgesetzt werden, sagen die Kriminellen.

„Es ist besonders infam, wie hier unter dem Deckmantel der Polizei vor allem ältere Menschen um ihr Erspartes gebracht werden“, sagt Innenminister Thomas Strobl (CDU).

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Der Betrug als falscher Polizist erinnert an den Enkeltrick, bei dem sich Kriminelle am Telefon als gute Bekannte, Enkel, Neffe oder sogar als Kind ausgeben und eine finanzielle Notlage vortäuschen. Zuletzt wurde in Varianten sogar das Coronavirus als Argument gebracht. Ist das Opfer zur Zahlung bereit, kommt oft ein Bote ins Spiel, der das Geld abholt. Auch hier sind die Zahlen geradezu explosionsartig gestiegen: Wurden im Jahr 2018 noch 1486 Fälle von Enkeltricks registriert, so waren es im vergangenen Jahr schon 2793, davon blieben allerdings 2662 erfolglos. Der Schaden in diesem Bereich liegt bei mehr als 3,1 Millionen (2018: 2,49 Millionen).

Anrufer sind oftmals Profis

„Der Trend zeigt: Die Phantasie der Täterinnen und Täter kennt keine Grenzen“, heißt es zur Strategie der Täter in der PKS. Erfolgreich seien neben dem Enkeltrick und dem falschen Polizisten auch Gewinnversprechen, bei denen Kriminelle anrufen und ihren Opfern am Telefon Gewinne zusagen. Vor der Gewinnübergabe sollen die Betroffenen allerdings eine Gegenleistung erbringen. Das können beispielsweise Gebühren sein oder sie sollen kostenpflichtige Telefonnummern anrufen. Manchmal sollen die Opfer auch an Veranstaltungen teilnehmen und dort überteuerte Produkte kaufen.

Die Täter seien in vielen Fällen Mitarbeiter eines Call-Centers zum Beispiel in der Türkei, sie seien teilweise psychologisch geschult und verängstigten ihre Opfer. „Sie schildern Einbruchszenarien in unmittelbarer Nachbarschaft und bieten an, Bargeld und Wertsachen zur sicheren Verwahrung durch angebliche Polizeibeamtinnen und -beamte abzuholen“, beschreibt das Innenministerium einen typischen Fall im Bericht. „So bringen sie ihre Opfer dazu, Ersparnisse oder gar das gesamte Vermögen einer Komplizin beziehungsweise einem Komplizen zu übergeben.“

Hohe Dunkelziffer bei der Anzahl der Fälle

Der Weiße Ring vermutet, dass die Statistik nicht alle Fälle aufgreift: „Die Dunkelziffer ist extrem hoch“, sagt Erwin Hetger, der Landesvorsitzende der Opferschutzorganisation und frühere Landespolizeipräsident. „Viele Opfer outen sich gar nicht, sie überkommt eine ausgeprägte Scham mit der Konsequenz, dass sie den Betrug für sich behalten.“ Damit öffne sich ein Teufelskreis: „Die Menschen ziehen sich zurück, sie begeben sich in die soziale Isolation. Das ist der eigentliche Schaden nach dem Schaden.“

Hetger kann sich erklären, warum vor allem ältere Menschen auf die Masche der Betrüger hereinfallen: „Sie spüren im Alter, dass sie nicht mehr gefordert werden und gefragt sind“, sagt er. „Kommt so ein Anruf, dann springen sie auf und haben keine Zeit mehr, vernünftig zu überlegen.“

Vorsicht, wenn man von „110“ angerufen wird

Die Gewerkschaft der Polizei warnt unter anderem vor Anrufen mit der Notrufnummer 110. „Das ist eine Nummer, die man anrufen kann und sollte im Notfall. Aber es ist keine Nummer, von der aus man angerufen wird“, sagt Carsten Beck, der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende. Die Polizei verlange zudem niemals Bargeld, betont Innenminister Strobl. „Das tun nur Betrüger! Wenn Sie also von der Nummer 110 angerufen werden, nehmen Sie den Anruf erst gar nicht entgegen, sondern rufen Sie die Polizei – und zwar die echte!“

Nicht immer geht ein Fall so glimpflich aus wie ein Betrugsversuch in Winterbach (Rems-Murr-Kreis) im Februar des vergangenen Jahres: Ein Anrufer hatte sich bei einer damals 70 Jahre alten Frau als Polizist von der Polizeistation Winterbach ausgegeben. „Dumm nur, dass die Frau sofort entgegnen konnte, dass der Polizeiposten Winterbach seit Jahren nicht mehr existiere“, teilte die Polizei danach mit. Wortlos habe der überraschte Anrufer aufgelegt.