Dokument des Grauens: das Totenbuch von Demmin aus dem Mai 1945, 14 Seiten eines Wareneingangsbuchs, auf denen die Tochter des Friedhofswärters rund 600 Selbstmorde vermerkt. Foto: Andreas Herzau/laif

Gift, Strick, Kopfschuss: In den letzten Wochen des Dritten Reichs rollt eine Selbstmordwelle durch das Land. In der vorpommerischen Kleinstadt Demmin fordert die Angst vor der Rache der Sieger besonders viele Opfer.

Demmin/Berlin - Der Abschied fällt knapp aus. „Es ist aus, mein Kind, verspreche mir, dass Du Dich erschießt, wenn die Russen kommen, sonst habe ich keine ruhige Minute mehr“, schärft ihr Vater der 21-jährigen Friederike Grensemann ein, als er kurz vor Kriegsende zum Volkssturm einrückt. Sie müsse den Lauf der Pistole in ihren Mund stecken, erklärt er noch. Ein Kuss, eine Umarmung, das war’s. Solche Szenen spielen sich in den letzten Tagen des Dritten Reichs häufig ab. Die Niederlage vor Augen rollt, ausgehend von Ostpreußen, eine Selbstmordwelle durch das ganze Land. Und nirgendwo wird der Wahnsinn so offenbar wie in Demmin.