Indiens Premierminister Narendra Modi ist in der EU ein gern gesehener Gast. Hier begrüßt ihn Bundeskanzler Olaf Scholz. Zentrales Thema der Gespräche sind die Sanktionen gegen die Ukraine. Indien ist einer der großen Abnehmer für russisches Öl. Foto: dpa/Michael Kappeler

Das Öl-Embargo des Westens gegen Russland ist eine komplizierte Sache mit globalen Auswirkungen. Die Folgen sind auch für den Westen noch abzusehen, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Das Treffen in Paris ist den Nachrichtenagenturen nicht eine Zeile wert. Unter normalen Umständen wäre es tatsächlich wenig aufregend, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den indischen Premierminister Narendra Modi zu einem Arbeitsessen empfängt. Aber die Welt durchlebt schwierige Zeiten, weshalb auch scheinbar Nebensächliches in den Fokus rückt.

In diesem Fall ist es das Werben Europas um Indien. Modi war zuvor schon in Berlin von Bundeskanzler Olaf Scholz empfangen worden, wo großzügig über Kooperationen zwischen den beiden Ländern gesprochen wurde. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Indien vor knapp zwei Wochen einen Besuch abgestattet.

Indien spielt eine zentrale Rolle

Natürlich war bei jedem Treffen der Kampf gegen den Klimawandel ein zentrales Gesprächsthema, zumal Indien im Moment von einer extremen Hitzewelle heimgesucht wird. Premierminister Modi ist im Moment aber aus einem anderen Grund ein begehrter Gast: sein Land spielt im Ukraine-Krieg eine zentrale Rolle, denn Indien ist einer der Großabnehmer von russischem Öl.

Es zeigt sich, dass die Sanktionen nicht einfach nur daraus bestehen, Europas Leitungen von Ost nach West zu kappen. Die Maßnahmen sind ein global angelegtes, komplexes, strategisches Spiel, um Russland wirtschaftlich zu schaden, damit es den Krieg im Nachbarland beendet.

Ein diplomatischer Drahtseilakt mit vielen Fragen

Das ist ein diplomatischer Drahtseilakt mit vielen Unwägbarkeiten. Wie kann etwa nach Verhängung der Strafmaßnahmen ein drastischer Anstieg des Öl-Preises verhindert werden? Das würde Russland auch beim Verkauf von weniger Öl wesentlich mehr Geld in die Kriegskassen spülen. Auch die Frage, ob andere Erdölproduzenten die Förderung kurzfristig erhöhen könnten, um die Preise abzufedern, ist noch nicht geklärt. Bisher stieß der Westen dort immer auf weitgehend taube Ohren.

Die Europäer setzen inzwischen darauf, dass jene Staaten, die die EU-Sanktionen gegen Russland nicht mittragen, diese wenigstens nicht unterlaufen. Hier kommen ärmere Länder wie Indien oder Pakistan ins Spiel. Denn reiche Industrienationen würden einen Preisanstieg verkraften, doch Schwellenländer könnten die explodierenden Energiekosten in tiefe politische und wirtschaftliche Krisen stürzen. Solche Länder könnten Europa und den USA dann vorwerfen, mit dem Ölembargo die Armut in der Welt vergrößert zu haben. Der russische Präsident Wladimir Putin könnte solche Länder zudem mit der Lieferung billigen Öls an sich binden. Auf diesem Hintergrund ist die Europa-Tour von Premier Narendra Modi keine Überraschung, denn die EU wird sich das Wohlverhalten der Wackelkandidaten einiges kosten lassen müssen.

Auch die EU ist nicht völlig geeint

Die globale Phalanx gegen Russland ist also eine wackelige Angelegenheit. Demgegenüber ist Europa über zwei Monate nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine weiter überraschend geeint. Doch auch hier zeigt der genaue Blick immer wieder Risse. Beim aktuellen Sanktionspaket wird es für Ungarn und die Slowakei Ausnahmeregelungen geben. Wegen ihrer großen Abhängigkeit können sie länger Öl aus Russland beziehen, sonst hätten sie dem Embargo nicht zugestimmt.

Bisher haben sich die Sanktionen nicht dramatisch auf den Alltag der EU-Bürger ausgewirkt. Das wird sich in den kommenden Monaten ändern. Wirtschaftsminister Robert Habeck bereitet die Menschen auf „höhere Inflation, höhere Energiepreise und eine Belastung der Wirtschaft“ vor. Bald wird sich zeigen, welchen wirtschaftlichen Preis die Europäer für die Verteidigung ihrer Freiheit in der Ukraine bereit sind zu bezahlen.