Links der Eingangsallee wird die Zentralapotheke gebaut, hinten links ein neues Bettenhaus. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Der Esslinger Kreistag hat die Freigabe für die Erweiterung der Nürtinger Medius-Klinik erteilt. Das Krankenhaus erhält einen Anbau für 72 Betten und zwei Operationssäle.

Kreis EsslingenErst vor neun Jahren ist das neue Nürtinger Kreiskrankenhaus eingeweiht worden. Am Donnerstagabend hat der Esslinger Kreistag die Baufreigabe zur Erweiterung die Medius-Klinik Nürtingen – so lautet der heutige Name – erteilt. Zunächst für ein Bettenhaus mit 72 Betten, zwei Operationssäle und die Zentralsterilisation. Das Investitionsvolumen für diesen ersten Abschnitt beträgt 30,8 Millionen Euro. Der Landkreis rechnet mit einem Landeszuschuss von 50 Prozent. Im Masterplan sind weitere Bauabschnitte vorgesehen. Das Krankenhaus auf dem Säer erhält eine neue zentrale Notaufnahme mit Hubschrauberlandeplatz, zudem wird Nürtingen Standort der Zentralapotheke der Medius-Kliniken.

Alle drei Standorte der Medius-Kliniken – Ruit, Kirchheim und Nürtingen – melden seit Jahren mehr Patienten. Dieses überdurchschnittliche Leistungswachstum hat in Nürtingen zu Engpässen in der stationären Versorgung geführt. Die Erweiterung sei „dringend zeitnah erforderlich“, betonte Landrat Heinz Eininger. Die Zustimmung aus Stuttgart liegt vor: Das Sozialministeriums genehmigte dem Klinikverbund Kirchheim-Nürtingen 63 zusätzliche Betten.

Im ersten Bauabschnitt erhält Nürtingen den Bettentrakt, zwei OP-Säle und eine größere Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte. Bereits im Januar soll das Baufeld für die Neubauten frei geräumt werden. Der neue OP-Trakt soll schon im dritten Quartal 2020 fertig sein, der Bettenbau ein Jahr später. Dieser Trakt fügt sich direkt an das vorhandene Bettenhaus an – die Patienten werden also den freien Blick auf die Schwäbische Alb genießen.

Angebote deutlich zu teuer

Getrübt wurde allerdings die Vorfreude der Klinikleitung: Die Ausschreibungsergebnisse lagen bei 145 beziehungsweise 151 Prozent der veranschlagten Kosten. Das europaweite Verfahren wurde deshalb aufgehoben. Bei Verhandlungen mit den beteiligten Unternehmen kam man zum Schluss, dass es günstiger wird, zwei Generalunternehmen zu beauftragen, eines für den Bettenbau, eines für den OP-Bereich. Die Kosten liegen allerdings immer noch um 6,2 Millionen Euro über der Berechnung von 2018, mit der man den Förderantrag beim Land gestellt hatte. Die Klinikleitung hat inzwischen den Antrag nach oben korrigiert, wie weit das Land mitzieht, ist offen. Die Gespräche laufen noch.

Bislang sieht die Rechnung so aus, dass die Medius-Kliniken von den 30,8 Millionen Euro 16,4 Millionen selbst beisteuern müssen. Die Hälfte können sie aus der Gewinnrücklage abschöpfen, 8,2 Millionen müssen sie als Darlehen aufnehmen. Der Landkreis hat in den Jahren 2012 und 2015 seinen Kreiskliniken die Schulden abgenommen, insgesamt rund 120 Millionen Euro. Die Bedingung war: dass die Kliniken ihre Investitionen jetzt selbst erwirtschaften.

Die Fraktionen des Kreistags hießen die Erweiterung unisono gut. „Bei unseren Kliniken läuft es fantastisch“, sagte Bernhard Richter, „wir Freien Wähler sind stolz auf die Leistungen unserer Kliniken und stehen voll zu den anvisierten Entwicklungen“. Die Bürger würden sich fragen, warum am neuen Krankenhaus schon wieder gebaut werde, mutmaßte Marianne Erdrich-Sommer (Grüne). Diese Investition sei jedoch „vernünftig und lohnt sich“. Man sehe daran, dass der finanzielle Erfolg der Medius-Kliniken den Patienten zugute komme und dass Krankenhäuser in öffentlicher Hand funktionieren können. Rainer Bauer griff zu einer ungewöhnlichen Argumentationshilfe: „Selbst das Sozialministerium sieht das ein“, sagte der CDU-Kreisrat.

Erfolg nur mit Wachstum

Nachdenklichere Töne stimmte Steffen Weigel (SPD) an. Es zeige sich zwar, dass der Kreis Esslingen mit der Zentralisierung seiner Kliniken den richtigen Schritt gemacht habe, es bereite ihm jedoch Sorgen, wenn Krankenhäuser nur über Wachstum erfolgreich sein könnten. Die Erweiterung stärke den Standort Nürtingen. Deshalb dürfe der Landkreis von der Stadt Nürtingen erwarten, dass sie ihre Zusage bezüglich des Geländes der früheren Psychiatrie einhalte. Der Landkreis verkaufte das Gelände 2016 an einen Investor. Dieser will 140 Wohnungen bauen – der Vertrag tritt jedoch erst in Kraft, wenn der Gemeinderat den notwendigen Bebauungsplan beschossen hat.

Für die AfD hieß Kerstin Hanske die Erweiterungspläne gut. Kein Patient wolle ein Bett im überfüllten Zimmer oder im Flur. Reinhold Riedel (Linke) begrüßte den Neubau, kritisierte jedoch die Förderpolitik des Landes. Die Kliniken seien deshalb chronisch unterfinanziert.

Der Kreistag erteilte die Baufreigabe mit großer Mehrheit, zwei Grüne aus Esslingen enthielten sich jedoch der Stimme. Nürtingen ist derzeit nicht das einzige Klinik-Projekt im Kreis. In Ruit wird in diesen Tagen ein Interimsbau mit 128 Betten fertig. Er ist die Basis für die Sanierung und Erweiterung, die zusammen auf 120 Millionen Euro veranschlagt werden.