Laut Agentur für Arbeit steigt der Beratungsbedarf für Kurzarbeit rapide, einige Branchen sind besonders stark betroffen. Das könnte sich auch auf die Arbeitslosenzahlen auswirken.
Es ist jeden Sommer das gleiche: Die Unternehmen drosseln ihre Produktion und die Arbeitslosenquote steigt an. In diesem Jahr von 3,6 auf 3,9 Prozent. Soweit so normal. Auffällig ist aktuell aber ein ganz anderes Phänomen des Arbeitsmarktes, an dem man die Wirtschaftsleistung einer Region wohl mittlerweile besser ablesen kann: der Bedarf an Kurzarbeit. Laut der Agentur für Arbeit sind die Beratungen und die Anzeigen zur Kurzarbeit im Kreis Ludwigsburg in den vergangenen Monaten „rapide“ angestiegen. Die Stimmung werde zunehmend ernster.
Aktuelle Zahlen, die den Anstieg der Kurzarbeit beschreiben, gibt es nicht. Die Agentur für Arbeit erhebt die Statistik erst mit einem mehrmonatigen Verzug. Die Zunahme an Kurzarbeit-Anfragen und Anzeigen sei jedoch spürbar und enorm, so Arbeitsagentur-Sprecherin Birgit Festag. Die Anfragen kämen von Betrieben mit fünf Mitarbeitern sowie mittelständischen Unternehmen mit rund 250 Mitarbeitern.
Kurzarbeit: Zu wenig Arbeit, zu viele Beschäftigte
Laut Arbeitsagentur sind besonders folgende Branchen betroffen:
- Maschinenbauunternehmen
- Automobilzulieferer
- Baugewerbe
Nicht verwunderlich, denn der Maschinenbau und die Automotive-Branche leiden besonders unter dem allgemeinen Geschäftsklima. Unternehmen, egal ob in Europa oder Asien, investieren weniger in neue Maschinen. Autobauer werden derweil ihre E-Autos nicht los und haben einen geringen Bedarf an Zuliefererteilen.
Zusammenfassend gibt es schlicht zu wenig Arbeit für zu viele Arbeitskräfte. Die Produktion bei Industrieunternehmen der Region breche teilweise um 15 bis 20 Prozent im Vergleich zu 2018 ein, und das bei gleichbleibendem Beschäftigungsstand, sagt Volker Steinmaier, Sprecher des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall.
Baubranche machen steigende Kosten und Zinsen zu schaffen
Die Baubranche kämpft derweil mit dem Einbruch im privaten Wohnungsbau, der wiederum auf steigende Zinsen und Baukosten zurückzuführen ist. Laut dem Landesverbands Bauwirtschaft sanken die Umsätze in der Branche im bisherigen Jahr um über 14 Prozent, 36 Prozent der Bauunternehmen im Land klagen über Auftragsmangel.
Das volle Ausmaß der Kurzarbeit im Landkreis Ludwigsburg könnte sogar noch größer sein, als es die Ludwigsburger Agentur für Arbeit mitbekommt. Denn große Arbeitgeber zeigen ihre Kurzarbeit bei der zuständigen Agentur des Hauptsitzes an. Falls beispielsweise ein Stuttgarter Unternehmen an seinem Produktionsstandort im Kreis Ludwigsburg Kurzarbeit umsetzt, würde es die hiesige Agentur gar nicht mitbekommen.
Kurzarbeit werde nicht leichtfertig beantragt, ordnet Volker Steinmaier vom Verband Südwestmetall ein. Vorher würden normalerweise erst andere Stellhebel genutzt, um die Arbeitszeiten an die Auftragslage anzupassen. Beispielsweise durch auslaufende Verträge von Zeitarbeitern oder dem Abbau von Arbeitszeitkonten. Kurzarbeit werde als Instrument also erst dann eingesetzt, wenn andere Möglichkeiten nicht mehr greifen, so Steinmaier.
Der Arbeitgeberverband und die Agentur für Arbeit sorgen sich nun wegen des Herbstes. Denn aktuell sind viele Beschäftigten im Urlaub, „die Unternehmen arbeiten nicht mit voller Kapelle“, sagt Steinmaier. In den kommenden Monaten könnte die Schere der vorhandenen Arbeitskräfte und der sinkenden Auftragslage noch weiter auseinandergehen. Dieses Missverhältnis könnte sich dann nicht nur in weiteren Kurzarbeitsanzeigen widerspiegeln, sondern auch in den Arbeitslosenzahlen. „Normalerweise geht die Arbeitslosigkeit im Oktober immer runter, ob das auch dieses Jahr so passiert, muss man abwarten“, sagt Birgit Festag.
Was ist Kurzarbeit?
- Kurzarbeit ist eine Finanzspritze des Staates, um Kündigungen und Insolvenzen zu verhindern.
- Kurzarbeit bedeutet, dass die gesamte oder ein Teil der Belegschaft eine geringere Anzahl an Stunden arbeitet, als sie es laut Vertrag müsste.
- Die Agentur für Arbeit zahlt teilweise diese Stundenausfälle, um den Lohnausfall der Arbeitnehmer abzufedern und den Arbeitgeber vorübergehend zu entlastet.
Kurzarbeit in der Praxis
Wie wird Kurzarbeit angezeigt?
Ein Unternehmen muss gemeinsam mit dem Betriebsrat die Kurzarbeit beschließen und dann bei der Agentur für Arbeit „anzeigen“. Die Agentur entscheidet dann, ob die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld erfüllt sind. Arbeitgeber zahlen jeden Monat das Arbeitsentgelt für geleistete Arbeitsstunden und das Kurzarbeitergeld an Ihre Beschäftigten aus. Die Agentur schießt dieses vorgestreckte Geld nach Prüfung der Unterlagen nach.