Taschentücher, Teetasse, Tabletten: Grippale Infekte fesseln gerade auch im Kreis Esslingen viele Menschen ans Bett. Foto: /dpa/Philip Dulian

Allüberall wird geschnieft und gehustet. Der Hals und der Kopf schmerzen. Den einen oder anderen schüttelt das Fieber. Auch über den Kreis Esslingen schwappt zurzeit eine Grippewelle. Allerdings hält diese schon seit einer ganzen Weile an.

Die Warte- und Sprechzimmer der Hausärztinnen und Hausärzte sind übervoll. Bei den Fachärztinnen und Fachärzten hingegen werden immer wieder Termine abgesagt, die seit langem vereinbart sind. Der Grund: Die angemeldeten Patientinnen und Patienten plagen sich mit grippalen Symptomen herum und bleiben deshalb vorsichtshalber zu Hause im Bett.

Von einer „massiven Grippewelle“ ist zur Zeit vermehrt und immer wieder zu lesen und zu hören. Und: Der Kreis Esslingen mache, wie der Nürtinger Internist und Hausarzt Jochen Maier bestätigt, „da keine Ausnahme“. Seit einigen Wochen würden vermehrt Grippefälle auftauchen. Er hält die momentane Situation für „eine der intensivsten Wellen seit langem“.

Anstieg bei Kindern und Jugendlichen

Ein Blick in die Statistik des Landesgesundheitsamts bestätigt diese Einschätzung hingegen nur bedingt. Bis zum vergangenen Wochenende lag die Zahl der erfassten Fälle in Baden-Württemberg mit etwas mehr als 10 000 in etwa auf dem Niveau des Vorjahrs. Was jedoch heraussticht: Vor allem in der Altersgruppe der Sechs- bis 18-Jährigen sind die Zahlen von knapp unter 1000 auf mehr als 1700 gestiegen.

Ärzte empfehlen auch jetzt noch eine Grippe- Impfung. Foto: dpa-tmn/Zacharie Scheurer

Aus Sicht der Esslinger Allgemeinmedizinerin Sonia Schrödel stellt der momentane Anstieg allerdings eine eher normale und zudem erwartbare Entwicklung dar: „Nach meinem Empfinden hat diese Welle seit dem vergangenen Sommer gar nie aufgehört. Wir hatten durchweg eine hohe Anzahl an Grippefällen.“ Dass sich die Lage jetzt jahreszeitbedingt zuspitze, sei deshalb völlig klar, fügt sie hinzu.

Experten raten zur Impfung – auch jetzt noch

Eine Erklärung hat Schrödel, die auch dem Vorstand der Kreisärzteschaft angehört, dafür ebenfalls parat: „Früher, das heißt vor Covid, war das mit Grippen jeder Art noch ein echtes Auf und Ab. Seither ist es allerdings eher ein Dauerzustand.“ Die Isolationszeiten und das Maskentragen hätten zwar bestimmt dabei geholfen, das Infektionsgeschehen halbwegs einzugrenzen, fährt sie fort. „Allerdings hat unser Immunsystem in dieser Zeit einiges verlernt und lernt jetzt erst langsam wieder, sich gegen Erreger aller Art zu wehren.“

So unterschiedlich Maier und Schrödel die momentane Situation aber auch bewerten mögen, so einig sind sich die beiden Fachleute, was das Thema Impfen angeht. „Wer einen schweren Krankheitsverlauf verhindern will, kann sich auch jetzt noch jederzeit impfen lassen“, betont Maier. Und auch für Schrödel macht es „immer Sinn, sich impfen zu lassen“. Man werde diese Möglichkeit in Zukunft wohl ohnehin das ganze Jahr über anbieten.

Hohe Fehlerquote auch bei Kombi-Tests

Dass viele Leute vom Impfen genug hätten, kann sie durchaus nachvollziehen. Sie höre deshalb auch immer wieder die Worte: „Jetzt auch noch einen extra Grippe-Schutz, oh nee.“ Dennoch empfiehlt die Hausärztin ihren Patientinnen und Patienten „eher keine Kombi-Impfung, um das Immunsystem nicht zu sehr zu stressen“. Wer sich gegen Covid und gegen Influenza schützen wolle, solle lieber zweimal kommen.

Und auch was die mittlerweile verfügbaren Kombi-Tests angeht ist die Esslinger Hausärztin eher skeptisch: Bereits bei den Covid-Tests habe sich eine hohe Fehlerquote gezeigt. Ähnliches habe sie von den Tests gehört, die jetzt auf Grippe, Corona und einiges mehr ansprechen sollen. „Ob das nun Covid, eine Influenza oder etwas anderes ist, es ist halt ein grippaler Infekt“, erklärt Schrödel.

Die Aussagekraft dieser Tests hält sie daher für „ziemlich überschaubar“. Meist würde, ihrer Einschätzung nach, der Einsatz eines ganz anderen „Instruments“ wesentlich mehr nützen, auch wenn es zweifelsohne Risikogruppen gebe, die vielleicht eine größere Vorsicht walten lassen sollten: „Den gesunden Menschenverstand zu benutzen, hilft uns allen, auch und gerade in dieser Angelegenheit.“ Sie sei „die ganze Panikmache“ jedenfalls ziemlich leid.

Zahlen könnten noch ansteigen

Prognose
Nach Einschätzung des Landesgesundheitsamts hat die aktuelle Grippewelle ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Das Tragen von Masken empfiehlt die Behörde zwar nicht explizit. Allgemeine Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen und das Abstandhalten zu Erkrankten könnten aber vor einer Ansteckung schützen. Das Problem dabei: Infektionsgefahr besteht bereits, noch ehe die Betroffenen ihre Symptome selbst verspüren.

Impfung
Einig sind sich das Robert-Koch-Institut sowie das Landesgesundheitsamt, aber auch der baden-württembergische Sozialminister Manne Lucha, dass eine Grippeimpfung auch zum jetzigen Zeitpunkt noch sinnvoll ist. So lautet Luchas Appell: „ Lassen Sie sich jetzt noch impfen, eine Grippe-Impfung ist bei niedergelassenen Ärzten und auch in Apotheken möglich.“