Bei der Darmkrebsvorsorge lassen sich nicht nur potenzielle Krebsvorstufen erkennen, sondern gleichzeitig auch entfernen Foto: imago/Rupert Oberhäuser/Oberhaeuser

Zum Tag der Krebsvorsorge klären Experten darüber auf, wie sinnvoll Untersuchungen zur Früherkennung von Tumorerkrankungen wirklich sind – und welche Vorsorge die Menschen im Südwesten lieber vor sich herschieben.

Die Mühen in der Krebsforschung zahlen sich aus: 65 Prozent aller Krebspatienten in Deutschland leben noch mindestens fünf Jahre nach der Diagnose, immer mehr werden geheilt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund eine halbe Million Menschen neu an einer Tumorerkrankung. Experten des Deutschen Krebsforschungszentrums zufolge könnten hierzulande rund 40 von 100 Neuerkrankungen an Krebs verhindert werden, wenn alle Möglichkeiten der Prävention wie gesunder Lebensstil und Impfungen ausgeschöpft würden. Zumindest ließe sich die Chance auf Heilung um einiges erhöhen, wenn eine mögliche Tumorerkrankung frühzeitig entdeckt würde.

Versicherte im Südwesten gehen häufiger zur Vorsorge

Die Bürger im Südwesten scheinen diese Hinweise wieder stärker zu gewichten. Aktuelle Zahlen der AOK Baden-Württemberg zeigen, dass die Teilnahmeraten an den Krebs-Früherkennungsuntersuchungen wieder gestiegen sind – im zweiten Halbjahr 2022 sind sie in den meisten Fachbereichen wieder auf dem Niveau des Vergleichszeitraums 2019, also vor Ausbruch der Pandemie. Auch im ersten Quartal 2023 setze sich dieser positive Trend fort, heißt es im „Früherkennungs-Monitor“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido). „Nach verpassten Früherkennungsuntersuchungen in der Pandemie holen jetzt offenbar Versicherte das Versäumte nach“, sagt Sabine Knapstein, Medizinerin bei der AOK Baden-Württemberg.

Bei der Darmkrebs-Vorsorge lassen sich Vorstufen entfernen

Insbesondere die Untersuchungen für Darm-, Prostata- und Brustkrebs werden sogar stärker angenommen als vier Jahre zuvor. So beanspruchten 27,9 Prozent mehr Versicherte die Koloskopie (Darmspiegelung) als im Vergleichszeitraum 2019. Ausschlaggebend für den Anstieg ist nach Meinung von Wido, dass Männer die Untersuchung seit 2020 schon ab 50 Jahren in Anspruch nehmen dürfen. Bei diesem Screening lassen sich nicht nur potenzielle Krebsvorstufen erkennen, sondern gleichzeitig auch entfernen.

Auch über die häufigsten Krebsarten, Brust- und Prostatakrebs, sind sich viele bewusst: Aktuell stellen Ärzte deutschlandweit ungefähr 69 000 Mal im Jahr die Diagnose Mammakarzinom bei einer Frau und rund 62 000 Mal die Diagnose Prostatakrebs beim Mann. Dementsprechend steigt die Bereitschaft für eine Untersuchung: Beim Mammografie-Screening lag das Ergebnis 4,9 Prozent über dem Wert des ersten Quartals 2019, bei der Prostatakrebs-Früherkennung waren es 3,7 Prozent mehr.

Hautkrebs-Screening kann sogar vor Krebs schützen

Rückgänge gab es dagegen vor allem beim Hautkrebs-Screening (9,5 Prozent). Diesen Trend begründet das Wido damit, dass sich das Intervall bei der Allgemeinen Gesundheitsuntersuchung von zwei auf drei Jahre vergrößert habe. Die Allgemeine Gesundheitsuntersuchung wird oft in Kombination mit dem Hautkrebs-Screening durchgeführt. Dabei gilt gerade das Screening auf die verschiedenen Hautkrebsarten wie Basaliom, spinozelluläres Karzinom und malignes Melanom nicht nur als gute Maßnahme zur Früherkennung, sondern auch als Krebsvorsorge – weil Dermatologen hier häufig Krebsvorstufenerkennen, die sich in einem zweiten Eingriff entfernen lassen, bevor sie zu Karzinomen werden.

Weniger Frauen lassen ihren Gebärmutterhals untersuchen

Das gilt auch für die Untersuchungen zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs: Mit Hilfe des sogenannten Pap-Abstrichs, bei dem Zellen aus der Schleimhaut von Muttermund und Gebärmutterhalskanal entnommen werden, lassen sich bereits Vorstufen eines Zervixkarzinoms aufspüren. Auch hier waren die Frauen im Land zurückhaltend: Nach Auswertung der AOK lag die Zahl der Untersuchungen im vorigen Jahr 3,2 Prozent unter dem Wert von 2019.

Der Landeskrebsverband Baden-Württemberg bewertet die Entwicklung dennoch positiv: „Vor dem Hintergrund der Einbrüche bei der Krebsfrüherkennung in der Pandemie ist die Normalisierung der Inanspruchnahme eine sehr erfreuliche Entwicklung“, betont Ulrika Gebhardt, Geschäftsführerin des Verbandes.

Viele Baden-Württemberger haben Angst vor Krebs

Dennoch braucht es weiter Aufklärung: Die Auswertung einer Online-Meinungsumfrage des Marktforschungsinstituts Civey zeigt, dass viele Baden-Württemberger noch deutliche Vorbehalte gegenüber der Krebsvorsorge haben. Diese wurde ebenfalls von der AOK in Auftrag gegeben. Darin geben mehr als ein Drittel der rund 10 000 Befragten (38,8 Prozent) an, das Früherkennungsangebot gar nicht oder nicht regelmäßig zu nutzen. Auch hat jeder Zweite (50,2 Prozent) Sorge, dass bei einer Vorsorgeuntersuchung tatsächlich Krebs entdeckt wird. 28 Prozent befürchten, dass das Prozedere eher unangenehm oder schmerzhaft sein könnte.

Der Krebsverband betont daher, dass Patienten im Rahmen jeder Krebsfrüherkennung umfassend aufgeklärt werden sollten. Wichtig sei zu klären, was untersucht werde und welche Folgen ein positiver Befund haben könnte. Nur dann könnten Patienten entscheiden, was sie wirklich wollen.

Krebs früh erkennen

Information
Die AOK und die Deutsche Krebsgesellschaft haben den 28. November zum jährlichen „Tag der Krebsvorsorge“ ausgerufen. Der Krebsverband Baden-Württemberg informiert darüber per Social-Media-Kanäle (Instagram: krebsverband.bw, Facebook: Krebsverband Baden-Württemberg).

Vorsorg-O-Mat
Die AOK Baden-Württemberg startet einen Vorsorg-O-Mat, www.aok.de/vorsorgomat. Dieser beantwortet den Nutzern die Frage, welche Krebsfrüherkennungsuntersuchungen anstehen und was diese beinhalten.