Karl Lauterbachs Reformpläne versetzen die regionalen Gesundheitsmanager in helle Aufregung: Bei einem möglichen Stufensystem könnten die kleineren Häuser neuen Anforderungen nicht entsprechen. Die Degradierung zu Ambulanzen droht. Auch die Geburtshilfe wäre betroffen.
Paukenschlag in der Debatte um die Zukunft der heimischen Krankenhäuser: Die Sanierung des Leonberger Klinikums wird vorerst unterbrochen. „Wir sehen uns gezwungen, den dritten Bauabschnitt, der unter anderem die Modernisierung der Radiologie am Standort Leonberg beinhalten würde, zunächst auszusetzen“, erklärt der Böblinger Landrat Roland Bernhard (parteilos), der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikverbunds Südwest ist.
Gegenwärtig wird das Krankenhaus Leonberg für geplante 87 Millionen Euro saniert. An sich wäre alles bereit für die Vergabe der nächsten Arbeiten, heißt es aus dem Klinikverbund. Aber noch wisse niemand, welche Auswirkungen die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angestoßene Krankenhausreform auf einzelne Klinikstandorte haben werde.
„Höchst gefährliche Entwicklung“
Die Behandlung von Patienten soll mehr nach medizinischen und weniger nach ökonomischen Kriterien erfolgen. Dafür sollen die Kliniken künftig nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen.
„Sollte die Reform in der jetzigen Form kommen, gefährdet das millionenschwere Investitionen in Klinikstrukturen und die wohnortnahe Versorgung vieler Menschen“, befürchtet Bernhard. Bisher handele es sich aber nur um Empfehlungen; jetzt komme es darauf an, dass diese so nicht eins zu eins vom Bund umgesetzt werden.
Krankenhausplanung war bisher eine klassische Aufgabe der Länder, betont Bernhard. „Wir fordern die Landesregierung auf, sich nachdrücklich für passgenaue Lösungen einzusetzen und mit dem Blick auf die unterschiedlichen regionalen Versorgungsbedarfe der Menschen.“
Das sieht auch der Kreisrat Werner Metz (Freie Wähler) so: „Das ist eine höchst gefährliche Entwicklung“ urteilt der Mediziner, der in Leonberg eine kardiologische Fachpraxis betreibt. Am Ende würden Krankenhäuser in der Größenordnung Leonbergs oder auch Herrenbergs zu Ambulanzen. Der in der Klinikdiskussion von vor zehn Jahren verwandte Begriff der Portalkliniken sei dann durchaus zutreffend. Metz fordert die Landesregierung auf, „ihre Befugnisse voll einzusetzen. Sonst haben wir keine Reform, sondern eine Revolution“.
Keine Rund-um-die Uhr-Präsenz
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat vehemente Kritik an den ursprünglichen Reformplänen geäußert. Von den in Baden-Württemberg untersuchten 186 Krankenhäusern wären künftig lediglich 33 in den angedachten Versorgungsstufen 2 und 3. Das sind die Krankenhäuser, die die enorm hohen Ansprüche der Regierungskommission erfüllen würden.
Nur an diesen Häusern wäre künftig etwa eine Geburtshilfe vorgesehen. Für bis zu 136 Häuser, das heißt drei von vier bestehenden Krankenhäusern, wäre damit die Zukunft ungewiss. Sie würden der untersten Versorgungsstufe zugeordnet. Dort würden die meisten Häuser zu Gesundheitszentren mit einem ambulanten Angebot und ohne Rund-um-die Uhr-Präsenz abgestuft; man könnte nicht mehr von einem Krankenhaus sprechen.
„Größte Sorge um die medizinische Versorgung“
„Vor diesem Hintergrund wäre es unverantwortlich, rund sechs Millionen Euro in einen nächsten Sanierungsschritt in Leonberg zu investieren“, erklärt der Landrat. Lediglich für die Betriebssicherung notwendige Dinge werden realisiert. „Die Reform ist definitiv nicht bis zu Ende gedacht. Sollte die Umsetzung so wie vorgestellt erfolgen, habe ich größte Sorge um die regionale medizinische Versorgung “, befürchtet Bernhard.
„Wir brauchen schnell ein schlüssiges medizinisches Zielbild für unsere Krankenhäuser. Über allem muss die flächendeckende Versorgungssicherheit stehen“, sagt der Geschäftsführer des Klinikverbundes, Alexander Schmidtke. „Dann wären wir bei den baulichen Weiterentwicklungen entscheidungsfähig. Standortdiskussionen, wie sie die Reformpläne des Bundes anstoßen, sind sowohl für die Fachkräfte als auch für die Patienten nicht dienlich.“
Der Leonberger Oberbürgermeister bezeichnet die Sanierungspause „mit Blick auf die Gesundheitsreform“ als „folgerichtig und weitsichtig, da die Sanierung dann möglicherweise neuen Vorgaben angepasst werden muss“. Allerdings, so erklärt Martin Georg Cohn (SPD), „muss trotz Gesundheitsreform der Bestand des Leonberger Krankenhauses auch in Zukunft gesichert sein“.