Das Ensemble „Lyyra“ bietet im Neckar Forum perfekt abgestimmten A-cappella-Gesang. Foto: /Rainer Kellmayer

Das Vokalensemble „Lyyra“ begeistert beim Meisterkonzert im Esslinger Neckar-Forum mit einem breit gefächerten Programm. Ein paar mehr peppige Songs hätten dennoch nicht geschadet.

Das erste Meisterkonzert des Jahres bescherte dem Esslinger Publikum am Sonntagabend einen besonderen Hörgenuss: Das Gesangsensemble „Lyyra“, die einzige professionelle sechsstimmige A-cappella-Gruppe für Frauen in den USA, betörte im Neckar-Forum bei dem Konzert „In the Beginning“ mit Gesangskunst vom Feinsten.

Ohne stützende instrumentale Begleitung fordert diese vokale Gattung von den Ausführenden Präzisionsarbeit: Nichts lässt sich verschleiern, kleinste klangliche Unebenheiten werden schonungslos offengelegt, und die Intonation erfordert eine stetige Feinjustierung.

All das war für das Ensemble „Lyyra“, das auf seiner ersten Europatournee zwischen Konzerten in Passau und London in Esslingen Station machte, kein Thema. Obwohl das Sextett erst seit einem Jahr zusammen singt, begeisterten der perfekt abgestimmte Ensembleklang und die spirituelle stimmliche Tiefe. Auf dem Weg durch die Musikgeschichte führte das Programm vom späten Mittelalter und der Renaissance über zeitaktuelle amerikanische Chormusik bis hin zu bekannten Popsongs unserer Zeit.

Mit Hildegard von Bingens „Caritas Abundat“ erwies „Lyyra“ einer Mystikerin des 12. Jahrhunderts Reverenz – einer Nonne, die nicht nur als Universalgelehrte gilt, sondern auch als erste bekannte Komponistin Spuren hinterließ.

Den Spagat zwischen dem auratischen Wohlklang mittelalterlicher Musik und den harmonischen Reibungen des Renaissancelieds „Aure volanti“ schaffte „Lyyra“ mühelos. Man spürte, dass sich die Sängerinnen auf gleicher emotionaler Ebene bewegen und instinktiv aufeinander reagieren. Aus dieser Harmonie entwickelte sich ein homogener Chorklang, in dem die einzelnen Stimmen ideal verschmolzen und zum ästhetischen Ganzen wurden. Zudem wirkte sich positiv aus, dass nahezu ohne Vibrato gesungen wurde und sich kein Ensemblemitglied in den Vordergrund drängte.

Klanglich etwas gleichförmig

Ob bei „Haec dies“, „A Nightingale sang in Berkley Square“ oder „Moonrise“, in dem der Komponist Blake Morgan das Volkslied „Der Mond ist aufgegangen“ verarbeitet hat: Stets war biegsame Vokalkunst mit perfekt gezogenen Melodielinien, dynamischer Feinarbeit und wunderschön gestalteten Endungen der Phrasen Trumpf.

Abwechslung in den aparten, klanglich jedoch etwas gleichförmigen Strom perfekt dargebotener Lieder brachten „Golden Hour“ von JVKE und der populäre Song „Blue Skies“, den Irving Berlin 1926 für das Musical „Betsy“ geschrieben hat. Hier überraschten Mary Ruth Miller und Anna Crumley (Sopran), die Mezzosopranistinnen Elizabeth Tait und Ingrid Johnson sowie Aryssa Leigh Burrs und Cecille Elliot (Alt) mit jazzigem Feeling und einem durch Fingerschnipsen unterlegten Drive. Mehr solch peppiger Songs hätte für Abwechslung gesorgt und belebende Würze ins Programm gebracht.

Das Publikum spendet Standing Ovations

Doch nach der Pause wurde es wieder ruhig. Zwar garnierte „Lyyra“ Marvin Fishers Jazzstandard „When Sunny gets Blue“, der in einem Arrangement von Anna Cumley erklang, mit ausdrucksstarken Vokalsoli, doch bei aller stimmlichen Perfektion bewegte sich die Musik vorwiegend in ruhigen Bahnen.

Mit ihrer Bühnenpräsenz und stimmlichen Ausstrahlung faszinierten die Sängerinnen das Auditorium. Songs wie „Rise up my Love“ von Leslie Savoy Burrs oder Peter Eldridges „Dark out of the Night“ begeisterten das Meisterkonzert-Publikum, und als im Finale die Softrock-Ballade „Bridge over Troubled Water“ von Simon and Garfunkel verklungen war, gab es im Neckar-Forum viel Applaus und Standing Ovations.