Den Löwenanteil bei den Kitagebühren zahlen nicht die Eltern. Foto: Imago Images/Monkey Business

Ist es fair, dass alle Kitaeltern den vollen Preis zahlen müssen, auch wenn immer wieder Betreuungszeit ausfällt? Den Antrag auf tagesgenaue Gebührenabrechnung lehnen das Stuttgarter Jugendamt und Bürgermeisterin Fezer ab.

Eltern kennen das zu Genüge: Immer wieder müssen sie selbst einspringen, weil die Kita wegen eines Personalengpasses zu hat – manchmal mittags, manchmal aber auch tageweise oder sogar eine Woche lang. Und oft überraschend. Bei städtischen Kitas kommen in regelmäßigen Abständen auch Ausfälle wegen Tarifauseinandersetzungen dazu. Zur Kasse gebeten werden die Familien aber trotzdem. Da sei es für Eltern schwer nachzuvollziehen, dass sie den vollen Gebührensatz entrichten müssen, auch wenn die Betreuungszeiten nicht eingehalten werden (können), argumentieren die Puls-Fraktionsgemeinschaft und die Gemeinderatsfraktion der SPD.

In einem gemeinsamen Antrag fordern sie eine Systemumstellung auf eine tagesgenaue Abrechnung samt einer vollständigen Erfassung von Öffnungs- und Schließzeiten. Im Stuttgarter Jugendhilfeausschuss lösten sie damit eine heftige Debatte aus – und holten sich beim Jugendamt und Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) eine Abfuhr.

Beiträge der Eltern nicht kostendeckend

Jugendamtsvizechef Bernd Mattheis erläuterte, weshalb eine solche Umstellung nicht geboten sei. Zum einen seien die Beiträge der Eltern bei Weitem nicht kostendeckend, sondern lägen im Durchschnitt bei 7,8 Prozent. „Es ist ein Irrglaube, dass die Eltern den kompletten Beitrag leisten“, so Mattheis. Zum anderen sei eine tage- oder stundenweise Abrechnung nicht im Sinne einer Verwaltungsökonomie. Und, so Mattheis: „Wir haben in der Vergangenheit immer flexibel und zugewandt entschieden und Gebühren zurückerstattet, ganze Monate, halbe Monate“, sagte er im Blick auf die pandemiebedingten Ausfälle.

Für den Kitaträger würde eine tageweise Rückerstattung der Kostenbeiträge keinen Nutzen bringen, den Eltern würde es in der Ganztagsbetreuung bei Kleinkindern 10,95 Euro pro ausgefallenem Tag bringen, mit Familiencard 6,40 Euro. Statt die Verwaltung aufzublähen müsse man „eigentlich Verfahren vereinfachen, so gut es geht“, sagte Mattheis. Es gebe außer München keine Stadt, die Gebühren tageweise erstatte. Und München verlange für zwölf Monate Gebühren, auch für die Schließtage, Stuttgart hingegen nur für elf Monate. Jugendamtschefin Susanne Heynen verwies auf den Zusatzaufwand für die Kitaleitungen, das sei „in der jetzigen Situation kontraproduktiv“. Denn derzeit wird händeringend überlegt, wie man das bestehende Personal in den Kitas halten und neues dazugewinnen kann.

Antragsteller ziehen Forderung zurück

Diesen Argumenten setzten auch die Antragsteller nichts entgegen. „Das nehme ich so hin“, sagte Verena Hübsch (Fraktionsgemeinschaft Puls). Auch Jasmin Meergans, Vorsitzende der SPD, räumte ein, eine Umstellung zum zurzeit wäre wohl „nicht sonderlich sinnvoll – aber vielleicht im weiteren Fortgang der Digitalisierung“. So sah es auch Vittorio Lazaridis (Grüne). Selbst Luigi Pantisano (Linksbündnis) hielt die Position des Jugendamts für nachvollziehbar. Er wies aber darauf hin, dass in Heilbronn die Eltern gar nichts für die Kita zahlen müssten.

Manja Reinholdt, die Vorsitzende des Gesamtelternbeirats (GEB) der Schulen, räumte hingegen ein, sie habe sich „sehr über den Antrag gefreut“. Sechs Euro seien viel Geld, „frühkindliche Bildung sollte eigentlich kostenlos sein“. Das Signal aus der Verwaltung, dass eine Umstellung zu aufwendig sei, sei in der Elternschaft schwer zu vermitteln. Sebastian Wiese von der Konferenz der Kita-GEB ergänzte: „Wenn eine Kita fünf Tage zu ist, verstehen die Eltern nicht, weshalb sie trotzdem zahlen sollen.“

Jörg Sailer (Freie Wähler) und Doris Höh (FDP) machten als Hauptproblem nicht die Kostenerstattung aus, sondern den Kitaausfall und die fehlende Kontinuität und Verlässlichkeit in der Betreuung der Kinder.

Heynen sagte, die Frage nach der Digitalisierung sei „absolut legitim, aber eine Frage der Priorisierung“. Bürgermeisterin Isabel Fezer übersetzte das so: „Priorisierung heißt: Wer möchte, dass wir mehr Aufwand in die Abrechnung stecken, bringt uns bei den Fachkräften in größte Not. Das führt zu höheren Schließzeiten. Damit schneiden wir uns ins eigene Versorgungsfleisch.“