Herbert Wurst (links) und Matthias Bärlin (rechts) helfen bei Alkoholproblemen. Foto: /Frank Ruppert

Mit dem Programm Kontrolliertes Trinken in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) soll Menschen geholfen werden, deren Alkoholkonsum zu hoch ist. Warum Abstinenz dabei nicht das Ziel ist und für wen es sich nicht eignet.

Vor acht Jahren beschloss Herbert Wurst, dass er etwas gegen seinen Alkoholkonsum unternehmen muss. „Ich hatte in der Zeitung von einen Kurs zum Kontrollierten Trinken gelesen und gleich einem Freund erzählt“, erinnert sich der Ludwigsburg. Der heute 69-Jährige hatte nach eigenen Angaben noch keine körperlichen oder seelischen Folgen seines Alkoholkonsums festgestellt, ihm war aber klar, dass er nicht mehr nur zum Genuss trank. An einen konkreten Punkt, an dem ihm klar wurde, dass sein Alkoholkonsum auf Dauer ungesund ist und in die Sucht führen kann, kann sich der Ludwigsburger nicht erinnern. Dennoch wollte er etwas ändern. „Ich sah keinen Grund, komplett auf Alkohol zu verzichten, außerdem fand ich den einfachen Zugang zum Kontrollierten Trinken super“, sagt Wurst.

Nichts für Menschen mit starker Alkoholsucht

Die Suchtberatung des Ludwigsburger Kreisdiakonieverbands bot damals den ersten Kurs zum Kontrollierten Trinken (KT) an und tut dies bis heute zwei Mal jährlich in ihrer Außenstelle am Kornwestheimer Bahnhof. „KT soll ein Bewusstsein für das eigene Trinkverhalten schaffen und so eine Reduktion erreichen“, sagt Matthias Bärlin. Der Suchtberater leitet seit einem Jahr die Kurse in Kornwestheim, Ende September soll ein neuer Kurs beginnen. KT richte sich ausdrücklich nicht an diejenige, die bereits tief in der Sucht drin seien, sondern an Menschen, deren Konsum ein Level erreicht hat, das in eine Sucht führen kann. Wer eine Therapie brauche, für den gebe es in der Regel nur die komplette Abstinenz.

In einem Trink-Tagebuch wird beim Kontrollierten Trinken der tägliche Alkoholkonsum festgehalten. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Oft kämen die Leute zum KT, weil dem Partner der erhöhte Alkoholkonsum auffalle, weil sie es selbst bemerkten oder weil ein Arzt schon erste durch den Alkohol verursachte Schäden feststellt. „Zuerst findet ein Gespräch mit mir statt, bei dem ich mir einen Überblick über die Trinkgewohnheiten verschaffe. Das Gruppenprogramm mit mindestens fünf und höchstens zehn Teilnehmern läuft dann immer über zehn Termine“, sagt Bärlin.

Zentraler Punkt beim KT ist ein Trink-Tagebuch, in das alle alkoholischen Getränke, die man täglich zu sich genommen hat, eingetragen werden. „Das führt zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Trinkverhalten“, sagt der Suchtberater.

Für Herbert Wurst war dieser Weg sechs Jahre lange der richtige, seit zwei Jahren verzichtet er aber komplett auf Alkohol. „Es gibt drei Arten von Teilnehmern bei KT. Solche, die es schaffen, ihr Trinkverhalten zu ändern und nicht mehr als täglich ein Bier zu trinken, solche, die es nicht schaffen und solche, für die das der Weg zur Abstinenz ist“,sagt Wurst. Von einem schleichende Weg raus aus dem Alkohol spricht Wurst. Für die meisten, die das KT-Programm durchlaufen war es auch ein schleichender Weg in den erhöhten Konsum. Abstinenz sei eben für viele zu schwierig auf Anhieb umzusetzen, erklärt Bärlin, deshalb passe oft das KT besser.

Selbsthilfegruppe unterstützt in Sachen Alkohol

Wer mehr als ein Bier täglich trinkt, sollte sich Gedanken machen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Teilnehmer kämen aus allen Gesellschaftsschichten, stünden mitten im Berufsleben und hätten in der Regel auch ein soziales Netz. Weil Alkohol oft auch eventbezogen getrunken werde, erhielten die Teilnehmer am Programm auch Hinweise mit, wie sie bei Treffen mit Freunden ihren limitierten Alkoholkonsum erklären können. „Heutzutage ist es oft gar kein Problem mehr, wenn man sagt, man möchte aus bestimmten Gründen wenig oder gar kein Alkohol trinken“, hat Bärlin festgestellt. Für Wurst geht es dabei auch, darum, Mumm zu zeigen und offen zu erklären, warum man beim KT mitmacht.

Was die Krankenkasse zahlt

Weil ein zehnwöchiger Kurs nicht immer ausreicht, das Verhalten für den Rest des Lebens zu ändern, gibt es in Kornwestheim auch eine Selbsthilfegruppe. Wurst leitet sie und freut sich, dass zwischen den Teilnehmern eine großes Vertrauensverhältnis besteht: „Da kann man Sachen sagen, die man dem Partner oder Freunden nicht sagt.“

W er Interesse am Programm Kontrolliertes Trinken hat, kann sich bei Matthias Bärlin unter 07141/689 39 21 70 melden. Die 150 Euro Kursgebühren können Krankenkassen erstatten.

Alkohol bleibt größtes Problem

Gesundheitsgefährdend
 Deutschland liegt beim Alkoholkonsum weltweit mit an der Spitze, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagt. 2019 trank jeder Mensch über 15 Jahren im Land im Schnitt 12,2 Liter Reinalkohol. „Es gibt keinen risikofreien Alkoholkonsum“, sagte Vladimir Poznyak von der WHO. Früher galt es als nicht gesundheitsgefährdend, wenn man an sechs Tagen pro Woche je ein Bier trank. Daran orientierte sich das Kontrollierte Trinken.

Weiter Nummer 1
 Auch im Kreis Ludwigsburg ist Alkohol noch die Droge Nummer 1. Verstärkt komme aber Cannabis auf, sagt Suchtberater Matthias Bärlin. Analog zum Kontrollierten Trinken, gebe es auch ein Programm das sich unter anderem mit dem Kontrollierten Kiffen befasse.