Ein Treffen mit den Enkeln ist in Corona-Zeiten oft nur per Videotelefonie möglich. Gar nicht so einfach, wenn man das zum ersten Mal macht. Foto: Adobe Stock/Ingo Bartussek

In Zeiten von Corona sind ältere Menschen gezwungen, sich mit der modernen Technik auseinanderzusetzen. Nur so können sie als Risikogruppe in Kontakt mit der Außenwelt bleiben. Wie funktioniert das?

Stuttgart/Reutlingen - „Ich bin noch da, aber Sie sind weg.“ „Haben Sie irgendwo darauf geklickt?“ „Nein.“ „Dann müssten Sie ja eigentlich noch das Chatfenster sehen.“ „Nein, Sie sind weg. Ich kann Sie nur noch hören, aber nicht sehen.“ Winfried Riedinger versucht das Problem seines Schülers zu verorten und durchläuft geduldig verschiedene Möglichkeiten, um das verschwundene Bild wieder herzustellen. Nach mehrminütiger Beratung scheint der Videochat wieder zu funktionieren. „Ich kann Sie wieder sehen.“ Was genau der Fehler war und ob das Bild wirklich ganz von alleine verschwunden ist, bleibt offen.

Riedinger ist Kursleiter des Online-Seminars „Zoom für Silver Surfer“ an der Volkshochschule Reutlingen. 13 interessierte Teilnehmer um die 70 sitzen zuhause vor ihren Computern, Tablets und Smartphones und wollen innerhalb von eineinhalb Stunden den Online-Service Zoom, mit dem man Videokonferenzen und Webinare abhalten kann, verstehen und bedienen lernen. Das ist gar nicht so leicht. Mal verschwindet das Bild, mal vergisst einer, das Mikrofon auszuschalten und unterhält sich im Hintergrund – und meistens sieht man mehr weiße Decken als Gesichter auf den Bildschirmen.

Senioren lernen das Internet schätzen

„Mir persönlich wären Präsenzschulungen auch lieber. Da kann ich bei Problemen an den Rechner laufen und etwas erklären“, sagt der IT-Spezialist Riedinger. Doch so ist es nun mal in der Corona-Krise: Die Computerkurse dürfen nicht vor Ort stattfinden. Zu groß ist das Ansteckungsrisiko, vor allem bei dieser Zielgruppe. Umso wichtiger ist es, die Kurse trotzdem anzubieten, wenn auch nur online. Trotz erster Lockerungen von Bund und Ländern ermöglichen Online-Medien vor allem den Risikogruppen weiterhin einen sicheren Kontakt zu Familie und Freunden.

So langsam schlägt es den ausgemachtesten Einzelgängern auf das Gemüt. Die sozialen Kontakte und damit auch das Gefühl von menschlicher Nähe und direktem Austausch leiden unter den Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus. Vor allem für die Risikogruppen. Zum Glück ist da noch das Internet mit all seinen digitalen Möglichkeiten. An die Stelle eines Abends in der Disco rücken Musikübertragungen von regionalen Klubs und DJs, Sportvideos machen Yoga- und Fitnesskurse in den eigenen vier Wänden möglich, und mit den Freunden verabredet man sich neuerdings zum wöchentlichen Feierabendbier via Videokonferenz. Das ersetzt nicht die persönlichen Kontakte, macht das Alltagsleben aber etwas erträglicher. Doch was ist mit denjenigen Personen, die nicht auf dem neuesten technischen Stand sind und deren Medienkompetenzen weder zur Videotelefonie noch zum regen Chatten ausreichen?

Die ganze Familie ist gefragt

Laut einer jährlich durchgeführten Studie der Initiative D21 zur Internetnutzung in Deutschland haben in den Jahren 2018 und 2019 nur 45 Prozent der über 70-Jährigen das Internet und gar nur 24 Prozent mobile Internetangebote wie Apps auf Smartphones genutzt. Das Nutzungsverhalten digitaler Dienste hängt weiterhin stark von Bildung und Alter ab und davon, ob jemand in der Stadt oder auf dem Land wohnt.

Die Studie berichtet allerdings zugleich, dass immer mehr Deutsche im Rentenalter das Smartphone und Tablet für sich entdecken und eine zunehmende Beliebtheit der Online-Medien auch bei älteren Personen zu erkennen ist. Diese positive Entwicklung zeigt eine Aufgeschlossenheit älterer Menschen gegenüber neuen Kommunikationswegen. Und das zurecht: Digitale Angebote könnten dazu beitragen, möglichst lange selbstbestimmt zu leben, auch wenn die Mobilität eingeschränkt ist.

Die Haptik wird für manche zum Problem

Winfried Riedinger weiß, warum ältere Menschen sich bei der Bedienung von moderner Technik besonders schwer tun: „Senioren haben häufig Angst davor, etwas falsch zu machen, und trauen sich daher nicht, einfach darauf los zu tippen oder zu suchen.“ Zudem sei oft die Haptik ein Problem, da die Beweglichkeit in den Händen und Fingern mit dem Alter schwinde. Trotzdem sei es wichtig, den Senioren den Umgang mit Smartphone und Co. zu erklären, meint Riedinger, der in Corona-Zeiten regelmäßig mit seiner 85-jährigen Mutter chattet. „Ich habe ihr erklärt, wie Zoom funktioniert, und nun können wir trotz Corona regelmäßig mit Bild telefonieren.“ In jedem Fall sei die ganze Familie gefragt, wenn Oma und Opa online gehen wollen. So könnten eine selbst geschriebene Anleitung, vorher eingespeicherte Kontaktadressen oder ein Fernzugang helfen, den Weg ins Netz zu erleichtern.

Fünf Anbieter für Videoanrufe

1. Whatsapp
hat weltweit über eine Milliarde Nutzer und eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Datenschützer kritisieren allerdings, dass Daten an Facebook weitergegeben werden. Bei der bekannten App kann man mit bis zu acht Personen videotelefonieren.

2. Facetime
ist der Chat-Dienst von Apple. 32 Personen können verschlüsselt an einem Videotelefonat teilnehmen. Der Haken: Jedes Familienmitglied muss ein Apple-Gerät besitzen.

3. Zoom
hat besonders bei Firmen während der Corona-Zeit Zulauf bekommen. Bis zu 100 Videoteilnehmer unterstützt die App. Allerdings ist sie häufig wegen ihrer Datenschutzbestimmungen kritisiert worden.

4. Houseparty
gewinnt derzeit bei jungen Menschen an Beliebtheit. Bis zu acht Freunde können sich in einem virtuellen Raum treffen, Leute kennen lernen und spielen. Datenschützer raten ab.

5. Skype
gehört zu den erfahrenen (seit 2003) und großen Videotelefonieanbietern. Bei einem Anruf können bis zu 50 Personen teilnehmen. Nur Textchats können händisch verschlüsselt werden.