Welcher Kandidat landet wo auf dem Stimmzettel für die Kommunalwahl 2024. CDU und Grüne wollen neue Nominierungsverfahren erproben. Foto: Madeleine Hellmann

Die Stuttgarter CDU verordnet sich eine Frischzellenkur bei der Kandidatenaufstellung für die Kommunalwahl 2024. Altgediente Stadträte wollen sich aber nicht so einfach ausbooten lassen. Die Grünen beschreiten ebenfalls neue Wege auf dem Stimmzettel – und auch dort gibt es Kritik.

Die Kommunalwahl 2024 wirft ihre Schatten voraus: CDU und Grüne in Stuttgart haben ihre Auswahlverfahren für die 60 Kandidaten für ein Ratsmandat, die dann auf dem Stimmzettel stehen, überarbeitet. Vor allem allem bei der Union stößt die vom Kreisvorstand der Partei einstimmig beschlossene Reform auf Kritik: Altgediente Stadträte, die nun mit neuen Gesichtern konkurrieren sollen, wollen sich nicht so einfach „entsorgen lassen“ und kündigen an, nicht kampflos abtreten zu wollen.

„Ziemlich frostig“ sei die Stimmung in der jüngsten Fraktionssitzung gewesen, es habe teilweise „versteinerte Mienen“, aber auch Zuspruch für die neue Form der Kandidatenfindung gegeben. So beschreiben Teilnehmer die Stimmung, nachdem der CDU-Kreisvorsitzende Thrasivoulos Malliaras über den Vorstandsbeschluss informiert hatte. Die CDU-Fraktion müsse nach ihrem schlechten Abschneiden bei der Kommunalwahl 2019 jünger und weiblicher werden, es brauche neue Gesichter auf der CDU-Liste, habe Malliaras verkündet.

Die Konsequenz: Man werde die Kandidaten in 20 Dreierblöcke einteilen; in jedem Block soll ein Bewerber dabei sein, der bisher noch nicht dem Gemeinderat angehörte. Zudem wolle man konsequent die Listenplätze im Reißverschlussverfahren abwechselnd an Männer und Frauen vergeben. Während letztere Vorgabe mittlerweile auch in der CDU überwiegend auf Akzeptanz stößt, fühlen sich erfahrene Stadträte, die der Fraktion seit Jahrzehnten angehören, durch die „Frischzellenkur“ brüskiert. „Das ist wahnwitzig. Nichts gegen frisches Blut, aber langjährige kommunalpolitische Erfahrung und Kompetenz ist auch ein wichtiges Kriterium“, sagt ein Mandatsträger, der fürchtet, dem „Jugendwahn“ zum Opfer zu fallen und auf der CDU-Vorschlagslisteliste nach hinten durchgereicht und „abserviert“ zu werden. Andere kündigen an, sich dem Verfahren nicht kampflos zu unterwerfen: „Letztlich entscheidet am Ende eh der Wähler, wie sich die neue Fraktion zusammensetzt.“

Altgediente Stadträte wollen nicht kampflos ins Glied zurücktreten

Das Durchschnittsalter der CDU-Fraktion ist in der Tat recht hoch. Sieht man einmal von Ioannis Sakkaros ab, der bei der Kommunalwahl 2019 zunächst für die Liste „Kein Fahrverbot in Stuttgart“ ein Stadtratsmandat ergatterte und sich dann der Union anschloss, ist Fraktionschef Alexander Kotz mit 52 Jahren der Benjamin unter den zwölf Stadträten. Dass der Uhlbacher Wengerter Fritz Currle – mit knapp 79 Jahren Fraktionsältester – 2024 nicht mehr antreten will, hilft nur bedingt, zumal der Fraktion in den vergangenen Jahren jüngere Talente wie Fabian Mayer (2016 zum Verwaltungsbürgermeister gewählt), Thomas Fuhrmann (seit 2019 Finanzbürgermeister) oder Maximilian Mörseburg (seit 2021 CDU-Bundestagsabgeordneter) abhandengekommen sind.

CDU will neue Kandidaten bei Workshops im nächsten Jahr rekrutieren

Für Fraktionschef Kotz ist nicht allein das Alter der Bewerber ausschlaggebend: „Wir wollen mit unserer Liste einen Querschnitt der Stadtgesellschaft abbilden und erhoffen uns von neuen Gesichtern auch frische Impulse – etwa zum Thema Klimaschutz.“ Aber wie will die Union neues Personal für ihre Liste gewinnen? Im kommenden Jahr soll es Workshops für die rund 2300 Stuttgarter Parteimitglieder geben, die auch der Rekrutierung von Kandidaten dienen, so Kotz. Ob die Bürgerinnen und Bürger dann den von einer parteiinternen Findungskommission erarbeiteten Wahlvorschlag goutieren, wird erst der Wahltag zeigen: Durch die im Kommunalwahlrecht verankerte Möglichkeit des Anhäufens von Stimmen (Kumulieren) ist nämlich nicht nur für die Platzierung auf der Kandidatenliste ausschlaggebend. Bestes Beispiel: Obwohl sich CDU-Urgestein Currle 2014 und 2019 auf dem letzten Listenplatz 60 um ein Mandat bewarb, wurde er wieder ins Rathaus entsandt.

Auch Grüne bilden Blöcke – Kritiker bemängeln Mutlosigkeit

Auch die Grünen haben auf ihrer Kreismitgliederversammlung ein neues Kandidatenauswahlverfahren beschlossen. Auch dort werden die 60 zuvor von einer Findungskommission herausgefilterten Bewerber in Blöcke eingeteilt: Jeweils zehn Kandidaten bilden einen Block, aus dem heraus dann die Mitglieder eine Rangliste für den Wahlzettel bestimmen. „Das Prozedere folgt dem Gedanken, dass wir keine Vorgaben mehr machen wollten“, erläutert der Grünen-Kreisvorsitzende Florian Pitschel. Bislang hatten Findungskommission und Kreisvorstand die Kandidatenliste erarbeitet und dann von der Kreismitgliederversammlung absegnen lassen. Das neue Verfahren bringt es mit sich, dass auch die beiden Fraktionsvorsitzenden nicht mehr automatisch als Spitzenkandidaten auf der Liste gesetzt sind. Und auch bei der Ökopartei gibt es parteiinterne Kritiker, die dem Verfahren „Beliebigkeit“ attestieren und dem Kreisvorstand bescheinigen, ihm fehle offenbar der Mut, einen eigenen qualifizierten Personalvorschlag zu machen.