Harald Flößer Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Eine bittere Klatsche hat Kirchheims Rathauschefin Angelika Matt-Heidecker hinnehmen müssen. Mit 70,88 Prozent siegte Pascal Bader, ein kommunalpolitisch völlig unbeschriebenes Blatt, bei der OB-Wahl.

KirchheimMan hat es in den vergangenen Tagen spüren können: Die Stimmung für die lange Zeit wohlgelittene Oberbürgermeisterin kippt. Ein Wechsel liegt in der Luft. Dass Amtsinhaberin Angelika Matt-Heidecker aber gleich mit so einer Klatsche vom Chefsessel im Kirchheimer Rathaus gestoßen wird, ist dann doch eine faustdicke Überraschung.

Es war ein in vielerlei Hinsicht sonderbarer Wahlkampf und irgendwie auch ein Lehrstück dafür, wie Demokratie heute läuft. Da ist eine Amtsinhaberin, die in 16 Jahren natürlich Fehler gemacht hat, aber viele Erfolge vorzuweisen und ihre Stadt vorangebracht hat. Mit 66 hat Matt-Heidecker zwar schon das Rentenalter erreicht, aber sie ist noch voller Energie und wirkt alles andere als verbraucht. Die SPD-Politikerin hat sich schon auf eine dritte Amtsperiode eingerichtet, da taucht, völlig aus dem Nichts, eine halbe Stunde vor Bewerbungsschluss ein Kontrahent auf. Kein Juxkandidat, sondern einer, der es ernst meint. Pascal Bader, gewinnt von Auftritt zu Auftritt an Profil und sammelt immer mehr Sympathiepunkte. Kommunalpolitisch ist der 49-Jährige zwar ein völlig unbeschriebenes Blatt, aber er hat 20 Jahre Erfahrung in der Landesverwaltung gesammelt. Und er wirkt souverän. Je mehr Sicherheit Bader gewinnt, umso nervöser wird Matt-Heidecker. Zu Beginn macht sie den Fehler, sich ganz hinter ihrer Erfolgsbilanz zu verstecken. Je mehr kritische und provozierende Fragen auf die SPD-Politikerin niederprasseln, umso dünnhäutiger wird sie.

Dass Matt-Heidecker aus Altersgründen nicht einmal mehr eine Amtsperiode voll machen kann, sondern nach sechseinhalb von acht Jahren abtreten muss, befördert die Wechselstimmung zusätzlich. So sehr, dass Pascal Bader einen glanzvollen Sieg davonträgt. Als Herausforderer konnte er sich mit der Rolle des Kritikers begnügen, der überall nur Defizite sieht. Jetzt wird er beweisen müssen, dass er vieles besser machen kann: zum Beispiel die heruntergekommenen Schulen zügiger sanieren, mehr Gas geben bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und es fertig bringen, dass die Teckstadt schon vor 2030 wieder ein eigenes Hallenbad bekommt. An all diesen Versprechen wird sich Bader messen lassen müssen.

Matt-Heidecker wird an der Deutlichkeit, wie man ihr das Vertrauen aufgekündigt hat, lange zu kauen haben. Denn nach Jahrzehnten erfolgreicher Arbeit für ihre Stadt – das sind mehr als nur die 16 Jahre als Rathauschefin – so weg gekickt zu werden, ist bitter, verdammt bitter. Dankbarkeit kann man in diesem Job nicht erwarten, zumal nicht in diesen aufgeregten Zeiten, in denen Entscheidungen gerne aus dem Bauch getroffen werden. Zeiten, in denen nichts mehr zählt, was gestern noch gut war und oftmals der Blick fürs Gemeinwesen verloren geht. Ohne jeden Zweifel kann die 66-Jährige für sich reklamieren, dass sie einen guten Job gemacht hat. Respekt vor ihrer Lebensleistung. Nur eines wird sie sich vorwerfen müssen: Den Zeitpunkt für einen guten Abgang hat sie verpasst.