Berkheim gehört zu Esslingen. Oder doch nicht? Foto: Johannes M. Fischer

In seinem Kommentar schreibt Johannes M. Fischer über die Bedeutung der Stadtteile jenseits der Innenstadt, die oft im Schatten der altehrwürdigen Altstadt stehen und in Hochglanzprospekten für Touristen keine Rolle spielen. Dabei sind sie hochspannend.

Esslingen - Eine Stadt hat nie nur ein Gesicht, selbst dann, wenn sie einen deutlich wiedererkennbaren Charakter zu haben scheint. So wie Esslingen: Die Reichsstadt-Historie, das Altstadt-Flair, das skurrile Rathaus mit seinen widersprüchlichen Baustilen, der Bürgerstolz, das Wirgefühl, die Gewissheit, dass jeder jeden kennt oder doch wenigstens jemanden kennt, der jeden kennt. Tatsächlich ist Esslingen sehr viel mehr als Dicker Turm: Es hat erstaunlich viele verschiedene Gesichter. Allein die Nord-Süd-Linie von Neckarhalde hinunter zur Neuen Weststadt und von dort über den Neckar in die Pliensauvorstadt vermittelt so viele unterschiedliche Eindrücke, dass ein fremder Flaneur meinen könnte, er durchlaufe gerade komplett verschiedene Städte.

So altehrwürdig Esslingen sein mag, so sehr sich die Stadt müht, in ihrer Historie zu glänzen – die Seiten und Schattierungen, die nicht im Hochglanzprospekt für Touristen auftauchen, sind nicht weniger Esslingen als der Marktplatz und die idyllischen Altstadt-Gassen.

Eine gute Idee: Eine Ausstellung über die Stadtteile

Es ist eine herausragende Idee gewesen, diesen Stadtteilen eine Ausstellung zu widmen, und noch besser ist der Gedanke gewesen, sie von innen wachsen zu lassen. Sie entstand in zahlreichen Treffen und vielen, vielen Stunden, und, wie man hört, keineswegs in sentimentaler Harmonie. Es wurde heftig darüber diskutiert, über welches Thema sich der Stadtteil und die Bürgerausschussbezirke präsentieren will, um dann am Ende tatsächlich Inhalte und Formen zu finden, in denen sich die jeweiligen Arbeitsgruppen wiederfanden.

Für die Esslinger und ihre Gäste ist diese Ausstellung eine gute Gelegenheit, sich einen neuen Zugang zur vermeintlich bekannten Stadt zu schaffen. Dabei kommt es überhaupt nicht darauf an, ob man schon über Generationen in Serach oder auf dem Zollberg wohnt oder gerade zugezogen ist. Diese Ausstellung ist ein wenig wie Zeitungslesen: Die Museumsgänger bekommen neue Ideen von ihrer Umgebung, sehen Altes in einer neuen Perspektive. Bald wird es dann auch wieder möglich sein, in einem Café zu sitzen und zu plaudern: Zum Beispiel über die vielen Gesichter der Stadt.