Energiepolitik nach CSU-Art: abwarten und Tee trinken. Foto: dpa/M. Assanimoghaddam

In manchen Teilen Deutschlands stockt der Umbau des Energiesystems. Könnte das damit zusammenhängen, dass die Verantwortlichen in entscheidenden Momenten einen im Tee hatten? Wir klären auf.

Auf Internetseiten wie frag-mutti.de gibt es jede Menge Tipps, wie man mit vermeintlichen Abfällen etwas mehr oder weniger Sinnvolles anstellen kann. Dort wird zum Beispiel in diversen Beiträgen erläutert, dass sich Kartoffelschalen als nachhaltiges Reinigungsmittel für Blumenvasen, Spülbecken oder gläserne Ofentüren eignen. Oder dass sich mit Kaffeesatz unter anderem Kratzer auf dunklem Holz ausbessern lassen.

Auch für Bastler gibt es viele Anregungen, wie man aus vorhandenen Materialien Neues schaffen kann – von Kastanienmännchen und Walnussschiffchen bis hin zu Robotern aus leeren Klopapierrollen. Die Resultate erfüllen zwar nicht immer höchste ästhetische Ansprüche, aber jeder Versuch zur Förderung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft ist aller Ehren wert. Zudem gibt uns die Beschäftigung mit Dingen und Materialien ein intensives Gefühl von Selbstwirksamkeit, was wiederum dem psychischen Gleichgewicht zugute kommt.

Superspreader für Mikroplastik

Die Industrie will natürlich ebenfalls vom positiven Image des Recyclings profitieren, streut den Konsumenten dabei aber manchmal reichlich Sand in die Augen. So wird das angeblich so nachhaltige WM-Trikot von Adidas nach Recherchen der „Zeit“ nur zu einem geringen Teil aus Plastikabfällen hergestellt, die unter Wahrung hoher Sozialstandards aus dem Meer gefischt wurden. Zudem entpuppt sich der Stoff in der Waschmaschine als Superspreader von Kunststofffasern, die dann als Mikroplastik in den Flüssen und dann wieder in den Meeren landen – eine Kreislaufwirtschaft der besonderen Art.

Eine bessere Recyclingidee haben Forscher der amerikanischen Pittsburg State University: Sie schlagen in einem Fachartikel vor, bereits aufgebrühte Teeblätter als nachhaltigen und preisgünstigen Rohstoff für sogenannte Superkondensatoren zu verwenden. Sie berufen sich dabei auf umfangreiche Labormessungen, welche die Eignung dieses Materials belegen. Welche Teesorten die besten Resultate bringen und wie lange man den Tee dafür ziehen lassen sollte, muss allerdings noch genauer untersucht werden.

Kommt bald das Tee-Modell von Mercedes?

Kondensatoren können ähnlich wie Batterien elektrische Ladungen speichern und wieder abgeben. Allerdings lassen sie sich viel schneller laden und entladen als etwa Lithium-Ionen-Akkus, was vor allem von Vorteil ist, wenn in kurzer Zeit hohe Leistungen übertragen werden müssen. Sie werden deshalb in Defibrillatoren oder Blitzlichtgeräten verbaut, helfen aber auch, Spannungsspitzen in elektronischen Geräten und Anlagen glattzubügeln. Besonders leistungsfähige Kondensatoren werden als „Superkondensatoren“ bezeichnet. Ein typisches Einsatzgebiet dafür sind etwa Hybridantriebe in Rennautos, die Bremsenergie zwischenspeichern und beim Beschleunigen gleich wieder abgeben. Auch reinen Elektroautos können die schnellen Energiespeicher zusätzlichen Wumms verleihen. Vielleicht bringt ja Mercedes im Rahmen seiner Luxusstrategie bald ein Tee-Modell mit Kondensatoren aus feinsten Bio-Darjeeling-Blättern heraus. Aber das ist natürlich nur Kaffeesatzleserei.

Bei der Energiewende könnten Superkondensatoren ebenfalls helfen, indem sie kurzzeitige Schwankungen der Stromproduktion von Wind- und Solarkraftwerken oder der Stromnachfrage abpuffern. Dafür muss man aber auch genügend dieser Anlagen bauen. Manche Bundesländer handelten dabei nach der Devise „Abwarten und Tee trinken“. Sollen doch die Norddeutschen Windräder aufstellen – die passen da eh besser hin als in unsere schöne Landschaft, dachte man sich zum Beispiel in Bayern. Und die hässlichen Leitungen für den Stromtransport von Nord nach Süd wollte auch keiner.

Jetzt hat man im Freistaat Angst, stromtechnisch bald auf dem Trockenen zu sitzen. Und Beobachter fragen sich, ob die Dauerregierenden von der CSU bei der einen oder anderen energiepolitischen Entscheidung vielleicht einen im Tee hatten.