Gemeinsam mit dem Rad in die Ferien starten: In der Gruppe gelingt Kindern Unglaubliches. Foto: dpa/Patrick Pleul

Hinter den Schülern liegt ein schwieriges Jahr. Und prompt beginnen auch noch die Ferien mit einer Panne. Zum Glück ist die Familie unsere Kolumnistin nicht alleine unterwegs.

Stuttgart - Endlich Ferien! Seit fünf Jahren beginnen diese für uns mit einer Radtour; gemeinsam mit drei befreundeten Familien treten wir in die Pedale. Mit einem Minimum an Gepäck brechen wir unbeschwert auf zu Zielen, die gern hart erkämpft sein dürfen. In der Gruppe schaffen Kinder Erstaunliches: sich zäh windende Alpenkehren hochzustrampeln, selber ihre Packtasche zu managen, morgens pünktlich beim Frühstück zu sein, nicht zu heftig zu heulen, wenn die Unterkunft weiter entfernt ist, als jemand berechnet hatte, oder wenn im Restaurant, auf das sich endlich alle einigen konnten, nicht mehr das Wunschessen Nummer eins verfügbar ist.

Pandemiebedingt lagen unsere Ziele im letzten und in diesem Sommer mehr oder weniger vor der Haustür. Das ist schlimm für die jungen Tourteilnehmer. Für die ist Urlaub nämlich nur dann richtig gut, wenn um sie herum eine andere Sprache gesprochen wird. An fünf bayerischen Flüssen entlang sind wir die vergangene Woche geradelt; zumindest der Dialekt der Freistaat-Ureinwohner kam dem Urlaubsideal der Jugend etwas entgegen. Als sich uns ein Mädchen ein paar Kilometer lang anschloss, war mein Sohn erstaunt. Dass sich jemand alleine eine Radtour zumutet, ging ihm nicht in den Kopf. „Ich könnte das nicht“, war sein Fazit, „ich würde alle zwei Minuten entweder in den Fluss springen zum Abkühlen oder in die Wiese zum Schlafen.“

Wie schön, wenn alles rund läuft

War’s ein Zeichen, dass wir gleich am ersten Tag mit Pannen konfrontiert waren? Vor allem hinter den Schülern liegt ein schwieriges Pandemie-Jahr. Studienfahrten, Abschlussball, Schüleraustausch, Auslandsjahr: Alles, was diese Zeit im Leben besonders macht, wurde abgesagt. Natürlich kann man eine Radtour noch viel mehr genießen, wenn nach Plattfuß und Schlauchwechsel an den folgenden Tagen alles rundläuft. Natürlich können junge Menschen anerkennen, welche positiven Erfahrungen sie aus der pandemiebedingten Zeit des Verzichts mitnehmen. Sie haben nicht nur gelernt, das Selbstverständliche als kostbar zu schätzen. Sie können auch selbstständiger arbeiten und zum Beispiel die von der Schule abgesagte Klassenfahrt in Eigenregie organisieren.

Das wird auch in Zukunft helfen. Denn der Ausblick auf die Zeit nach den Ferien ist nicht sehr vielversprechend. Die vierte Corona-Welle ist im Anmarsch, der Unterricht wird bei weit geöffneten Fenstern in kalten Klassenzimmern beginnen und alles, was jungen Menschen Spaß macht, wird weiterhin hinter rotweißem Flatterband unerreichbar bleiben. Wären Schüler so wenig lernfähig wie diejenigen, die Entscheidungen treffen, würde es nur so Sechser hageln.

Aber noch sind Ferien. Tanken Sie Sonne, gute Laune und genießen Sie die gemeinsame Zeit mit der Familie – wo auch immer.

Andrea Kachelrieß hat zwei Kinder, und das seit einigen Jahren. Gefühlt bleibt sie in Erziehungsfragen aber Anfängerin: Jeder Tag bringt neue Überraschungen. Als Kulturredakteurin betreut sie auch die Kinderliteratur.