Der Soundtrack meiner Jugend – und das, was meine Kinder jetzt so auf die Ohren kriegen. Foto: StZN/Schäfer

Die Töchter unserer Autorin sind Rolf Zuckowski entwachsen. Jetzt werden sie mit dem Deutsch-Rap der 90er Jahre sozialisiert. Direkt aus dem Schoß der Kolchose, mit HipHop aus der Mutterstadt. Oldschool? Aber so was von.

Stuttgart - Lange Zeit war ich eine Jukebox auf zwei Beinen. Ein Radio in Menschengestalt. Ob beim Zähneputzen, auf dem Weg zur Straßenbahn, beim Haarewaschen oder auch gerne mal zwischendurch: „Mami, sing was!“ war mein Einschaltknopf – und ich schluckte dafür noch nicht mal 50-Cent-Stücke. Ich variierte mein Programm saisonal, sang im Frühjahr „Der Mai ist gekommen“, im Herbst „Bunt sind schon die Wälder“ und für Weihnachten hatte ich auch Festliches im Repertoire. Ich kann viele, viele Lieder von Rolf Zuckowski auswendig und bei Bedarf „Du da im Radio“ auch mit verteilten Rollen (Kind/Mann im Radio) darbieten.

Das klassische Kinderlieder-Repertoire zwischen „Der Kuckuck und der Esel“ und „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ wurde meinen Töchtern mit der Zeit zu fad. Ich musste mein Material verändern. Also begann ich auch Klassiker der „Comedian Harmonists“ zu intonieren („Mein kleiner, grüner Kaktus“ fand großen Beifall), bediente mich bei den „Sportfreunden Stiller“ und „Wir sind Helden“.

Nur: In letzter Zeit bin ich nicht mehr so gefragt. Meine Töchter haben die unendliche Welt der Musik-Streamingdienste für sich entdeckt. Hier fanden sie über die „Sportfreunde“ und die (ja, ich weiß, längst aufgelösten) „Helden“ zum deutschen HipHop der 90er Jahre.

Wir nicken zu „Mutterstadt“ oder „Nichtsnutz“ mit

Die beiden lieben die Klassiker: „Die Fantastischen Vier“, klar. „Die da“, „MfG“, „Tag am Meer“. Von dort über Afrobs „Reimemonster“ in den Schoß der Kolchose. „Freundeskreis“. „A-N-N-A“, „Telefonterror“, „Esperanto“. Wenn es ganz oldschool sein soll, legen wir das „Kopfnicker“-Album von den „Massiven Tönen“ auf, und wippen zu „Mutterstadt“ und „Nichtsnutz“ mit.

Ja, ja, ich weiß: Nicht ganz der neueste Schrei im deutschen Sprechgesang. Aber der Soundtrack meiner Jugend. Und dass es Capital Bra und Haftbefehl gibt, bekommen sie schon früh genug noch mit. Hey: Ich musste früher auch die Simon & Garfunkel-Platten meiner Eltern hören. Geschadet hat es mir nicht.

Kürzlich war das Handy leer. Da fiel meinen Kindern ihre alte Mutter ein: „Mami, rap was!“ Dienstbeflissen legte ich los: „Hallo Thomas“ „Hallo, alles klar?“ „Klar“ „Es ist wieder Freitag, es ist wieder diese Bar“. Ich war voll drin, verfranste mich erst zwischen dem „Tee in nem Café“ und „Separé mit Kerzenlicht“. Mein Publikum war konsterniert. Zum Glück wurde ich nicht ausgebuht.

Theresa Schäfer (40) ist Mutter von Zwillingen - und Onlineredakteurin im Nebenberuf. Der geballten Power von zwei Neunjährigen steht sie manchmal völlig geplättet gegenüber.