Warum nicht mal ein bisschen ablenken lassen? Foto: Setzer/Setzer

Das Weltgeschehen bietet derzeit besten Anlass zur Verzweiflung. Wahnsinn, dass uns ausgerechnet Kinder davon ablenken. Eine Zeitmaschine hat unser Autor auch.

Während ich das hier schreibe, bin ich jung und unverheiratet. Drücken Sie mir bitte die Daumen, äh, also, nachträglich. Denn wenn Sie das hier lesen und zwischenzeitlich nix Schlimmes passiert ist, habe ich gerade geheiratet und gleich Geburtstag.

Klar, „nix Schlimmes passiert“ klingt derzeit ein bisschen arg zynisch. Gefühlt passieren ja nur noch Dinge, über die man sich nicht freuen kann. Es hilft, gelegentlich mutwillig dagegen anzusteuern. Für die restliche gute Laune ist bei uns der Dreijährige zuständig.

Kinder haben keine Aufgabe

Kinder haben streng genommen eigentlich gar keine Aufgabe. Die sollen viel lachen, Zeug und Dinge lernen, Spaß haben, mit Stiften an die Wand malen, Quatsch machen und so weiter.

Manchmal plagt mich dennoch das schlechte Gewissen, weil der Dreijährige mich seit mindestens drei Jahren wesentlich glücklicher macht, als es die allgemeine Weltlage hergeben würde. Er lenkt mich ab – von Müdigkeit, Seelennebel, Pandemie und jetzt auch noch vom Krieg.

„Alter Sack!“

Stolz zeigt er auf eine mit Filzstiften bemalte Tür und sagt „Papa, ich habe an die Tür gekünstlert!“, er nennt mich „alter Sack!“, weil die Mutter das mal gesagt hat, er droht mir mit weitreichenden Sanktionen, falls ich noch mal bei einem Lied von Ed Sheeran mitsingen sollte – und außerdem heißt der Eschürahn.

Neulich habe ich gefragt, wie er es schafft, innerhalb von drei Minuten all sein Spielzeug in der Wohnung zu verteilen. Er sagte„Das passiert manchmal!“ – und machte dann unverdrossen weiter damit.

Natürlich ist er gelegentlich auch wütend, genervt, traurig oder Stress pur. Dann sage ich „Komm, wir essen jetzt!“ und er brüllt: „ICH BIN NICHT MÜDE!!“. Das alles ist eine willkommene Ablenkung und ich werde ihm auf ewig dafür dankbar sein. Auch wenn es mir lieber wäre, würde ihm Motörhead besser als Ed Sheeran gefallen.

Das Rosarote vom Ei

Aber zum Glück habe ich in all den Jahren gelernt: Das Leben ist kein Ponyschlecken und manchmal fehlt das Rosarote vom Ei. Also, es sei denn, man ist ein Kind, dann muss das alles da sein. Bunt, lustig, laut, interessant. Jeden Tag, den ganzen Tag.

Eine meiner Aufgaben: die Möglichkeiten dazu bereitstellen. Schande über alle, die Kindern dieses Leben vorenthalten. Mit Bomben zum Beispiel.

Michael Setzer ist seit drei Jahren Vater. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt.