Manfred Waßner, der Archivar des Landkreises Esslingen, erklärt in einem Vortrag beim Köngener Geschichts- und Kulturvereins, wie wichtig es ist, kulturelles Erbe zu erhalten.
Bis in die 1990er Jahre hinein war das Köngener Schloss eine verfallende Erinnerung an die Ortsgeschichte. Heute ist die ehemalige Ruine ein historisches Kleinod und gleichzeitig eine belebte Stätte der Zusammenkunft, etwa bei regelmäßig stattfindenden Konzerten des örtlichen Jazzclubs oder bei privaten Feiern. Gleichzeitig ist es zu einem wichtigen Ort der Identifikation geworden. „Das Beispiel Köngen zeigt, dass es sich lohnt, wenn wir uns für den Erhalt unseres kulturellen Erbes einsetzen“, betonte Kreisarchivar Manfred Waßner in seinem Festvortrag mit dem Titel „Mehr als Geschichte(n) aus Stein. Historische Bauwerke – beseitigen oder bewahren“ zum 30-jährigen Jubiläum des Köngener Geschichts- und Kulturvereins.
Negativbeispiel: Der triste Esslinger Marktplatz
Es sei wie bei einer Zahnlücke – erst das Fehlen prägnanter Bauwerke mache den Menschen bewusst, dass dort einst etwas Gutes und Sinnvolles stand, sagte Waßner, der auch im Vorstand des Schwäbischen Heimatbundes sitzt. Aber nicht nur der Modernisierungsdrang nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs war ein markanter Einschnitt in die Gestaltung unserer Städte und Dörfer. Auch schon früher musste alte Bausubstanz schnell dran glauben, wenn es den „Oberen“ nach Veränderungen war. „Selbst in unsere Kreisstadt Esslingen, die sich einer beinahe geschlossenen mittelalterlichen Gebäudesubstanz rühmt, gibt es Beispiele“, merkte Waßner an. So stand etwa auf dem heutigen, bekanntlich ziemlich trist anzusehenden Esslinger Marktplatz bis 1811 das Katharinenhospital der Reichsstadt Esslingen. Errichtet wurde das trutzige Gebäudeensemble, das als Fürsorge- und Heilanstalt sowie als Stadtsparkasse diente, im 14. Jahrhundert an zentraler Stelle unmittelbar zwischen Dionysiuskirche und Stadtmauer. Schon damals mussten dafür einige mittelalterliche Wohntürme weichen. „Auch die hätten wir Historiker gerne gekannt“, sagte Waßner. Wenn man anhand von Zeichnungen des Esslinger Universalgenies Tobias Mayer sehe, was verloren ging, blute einem das Herz. Nicht mal die Spitalkapelle, von Kunsthistoriker Carl Heideloff als Kleinod mittelalterlicher Baukunst bezeichnet, entging dem Abrisswahn – nur eine Tafel des Altars hat den Weg in die Deizisauer Kirche gefunden: „Kunsthistorisch bedeutend, aber nur eine einzige Holztafel eines Komplexes von einem halben Hektar“, bedauerte Waßner. Heute klaffe der triste Betonplatz mitten im Zentrum der ehemaligen Reichsstadt wie eine Zahnlücke: „Zufrieden und glücklich sind die Esslinger damit nicht. Trotz Zwiebelfest und Weihnachtsmarkt.“
Nächstes Fallbeispiel: Der Schillerplatz in der Nürtinger Altstadt, der von der Kirchstraße überquert wird. Bis Mitte der 1960er Jahre stand dort der sogenannte „Steinerne Bau“ – ein mächtiges hohes Gebäude, das 1554 vom Nürtinger Spital als Vorratslager und Fruchtkasten errichtet worden war. „Alle mussten daran vorbei. 410 Jahre lang“, sagte Waßner. Doch im Zuge der Stadtentwicklung zwischen Mitte der 1960er bis Ende der 1970er Jahre, einer Phase, als man wenig mit alter Bausubstanz anzufangen wusste, musste der „Steinere Bau“ einem Bankgebäude aus Beton weichen: „Das inzwischen nach wenigen Jahrzehnten schon wieder grundlegend erneuert wurde. Vielleicht hätte so eine Auffrischung ja auch dem Steinernen Bau etwas gebracht“, so der Historiker.
Politischer Willen und engagierte Bürger
Man möge ihn nicht falsch verstehen, womöglich gebe es im Einzelfall gute Gründe, warum aus alt neu gemacht wurde. Dass Erhaltung und Nutzung eines Baudenkmals für die öffentliche Hand häufig ein schlechtes Geschäft sei, wenn man nur auf die Finanzen achtet, sei klar: „Aber das greift zu kurz“, warnte Waßner, „denn historische Gebäude entfalten eine langfristige Wirkung, die in Zahlen nicht zu greifen ist, sie aber dennoch zu einer guten Investition machen.“ Beispiele für solche positive Entwicklungen gäbe es einige – beispielsweise das Oberboihinger Pfarrhaus aus dem Jahr 1486: „Das ist heute ein Schmuckstück und war ein Kristallisierungspunkt der Sanierung für die ganze Ortsmitte.“ Oder eben in der Gemeinde Köngen, die mit ihrem Schloss heute über ein historisches Kleinod verfügt, das seinesgleichen suche: „Die Gemeinde hat sich ein Gebäude geschaffen, das als Veranstaltungsort und markantes Symbol zu einem intakten Gemeindeleben beiträgt.“ Ohne den nötigen politischen Willen, aber auch ohne die engagierte Bürgerschaft, die sich im Geschichts- und Kulturverein zusammengefunden habe, wäre dies nicht möglich gewesen.
So sei das Schloss zur Keimzelle für bürgerschaftliches Engagement in Köngen geworden: „Vom Herrschaftssitz der frühen Neuzeit zu einem Ort der kommunalen und bürgerlichen Gemeinschaft, den man zusammen gestaltet hat.“ Das Schloss sei Geschichte, aber auch Symbol für einen gemeinsamen Erfolg: „Und es zeigt, was historische Bauwerke bewirken können. Sie verändern unsere Gesellschaft, machen unsere Städte und Dörfer lebenswert. Man könnte sagen, sie schaffen Identität und Heimat.“
Das Köngener Schloss und der Geschichts- und Kulturverein
Entstehung
Die ehemalige Wasserburg in der Gemeinde Köngen wurde Ende des 14. Jahrhunderts erstmals urkundlich erwähnt. Im 16. Jahrhundert folgte die Umwandlung in ein Renaissanceschloss und im Jahr 1825 der Ausbau zum klassizistischen Landsitz. Ab 1880 setzte der Niedergang des Gebäudes ein.
Heutige Nutzung
Mit dem Erwerb des Schlosses durch die Gemeinde konnte 1991 mit der Sanierung begonnen werden. Eine komplett öffentliche Nutzung des Schlosses war nicht vorgesehen, allerdings können Rittersaal, Hauskapelle und der Gewölbekeller für Veranstaltungen gegen ein Entgelt genutzt werden.
Verein
Der Geschichts- und Kulturverein wurde 1994 von 71 Bürgern gegründet. Inzwischen hat sich die Mitgliederzahl auf knapp 170 erhöht. Er hat mehrere Publikationen herausgegeben, verleiht in zweijährigem Turnus den überregional bedeutsamen Daniel-Pfisterer-Preis und bietet Führungen durch das Schloss an.