Verfaulte Früchte am Baum – auch das ist eine Folge des Hitze- und Dürresommers. Foto:  

Der Experte für Streuobstbau, Andreas Hieber, spricht darüber, welche Folgen der Dürresommer für Bäume und Ernte hat. Die Obstbäume sind am Limit, deshalb setzt er auf innovative Projekte.

Streuobstwiesen sind ein Aushängeschild der Landschaft im Remstal – immer wieder wird mit ihrer ökologischen Vielfalt geworben. Auch beim Deutschen Wandertag genossen viele die Touren durch die unverwechselbare Landschaft, die als Hotspot für Tiere und Pflanzen gilt. Doch wie steht es um die Streuobstwiesen nach dem Dürresommer? Andreas Hieber vom Vorstand des Kreisverbands der Obst- und Gartenbauvereine Waiblingen und Inhaber einer Baumschule erklärt, warum das Sterben der Streuobstbäume weitergeht.

Herr Hieber, bereits 2018 war ein trockenes Jahr, nun kam der Dürresommer mit hohen Temperaturen obendrauf. Wie steht es um die Streuobstbäume?

Leider geht es den Streuobstbäumen immer schlechter. In der Summe war das Jahr wieder sehr heiß und trocken. Es ist verheerend, dass im Boden keine Reserve an Feuchtigkeit mehr da war. Oft befinden sich Streuobstwiesen auf schlechteren Böden, dazu kommt häufig noch eine Hanglage und Südseite. Das verschärft die Trockenheit. Auch dort, wo ehemalige Weinbergslagen in Streuobstwiesen umgenutzt wurden wegen der Reblaus im 19. Jahrhundert, sind die Voraussetzungen besonders schwierig. Die Folgen des Klimawandels sind eindeutig.

Gibt es denn Obstbaumsorten, die mit der Trockenheit besser umgehen können? Bei den Stadtbäumen wird das ja auch versucht.

Nein, auch wenn die Apfelsorten alle unterschiedlich sind, so sind sie Apfelbäume – und diese brauchen Wasser. Natürlich könnte man bei den Hochstämmen an den Klimawandel etwas angepasste Sorten züchten. Doch das ist ein sehr langer Weg und braucht zwischen 20 und 30 Jahre Zeit.

Wie machen sich die Schäden an den Bäumen bemerkbar?

Für viele geht der Prozess wahrscheinlich still und schleichend vor sich. Die Bäume haben trockene und kahle Äste. Man kann sich einen Apfelbaum etwa wie ein Menschenleben vorstellen: Mit 20 ist er in den Jugendjahren, mit 30, 40 ist er im richtigen Arbeitsalter und hat einen hohen Ertrag, bis er mit 60 oder 70 Jahren ins Rentenalter geht. Wenn also Bäume im Alter von 30 Jahren absterben, dann tun sie das im besten Alter. Und leider beobachten wir diese Entwicklung immer mehr.

Wie kann dagegen gesteuert werden?

Die Bäume brauchen unbedingt Pflege. Jungbäume beispielsweise müssen die ersten fünf, sechs Jahre gegossen werden. Da muss man am Ball bleiben. Das Pflanzen allein genügt nicht. Daher finde ich auch das Streuobstwiesenprojekt in Oeffingen so wegweisend. In der Gemeinschaft erleben Familien und Kindern mit Gleichgesinnten, was die Betreuung einer Streuobstwiese über den Jahreslauf ausmacht. Das Oeffinger Projekt ist innovativ und zeigt neue Wege auf, wie Obstbauvereine die Menschen motivieren und integrieren können. So bekommen Kinder den Bezug zur Natur und schätzen es sicher ganz anders, wenn sie sehen, wie lange es braucht, bis ein Baum heranwächst. Das ist ja ein generationenübergreifender Zeitraum, bis ein Baum groß geworden ist.

Wie finden Sie das Preisbarometer Streuobst vom Verein Hochstamm Deutschland. Als Zwischenstand bekommt man dieses Jahr für hundert Kilo Streuobst zwischen sechs und zwölf Euro?

Wenn Ihnen bei der Apfelernte das Autorücklicht kaputtgeht, dann müssen Sie eine Tonne Äpfel auflesen, um den Schaden bezahlen zu können. Im Ernst, von Wirtschaftlichkeit ist das weit weg. Daher denke ich, braucht es Idealismus und Überzeugung, um die Streuobstparadiese zu erhalten. Manche investieren beispielsweise auch in eine Auflesemaschine, um sich die Arbeit zu erleichtern. Klar, Stückle sind derzeit sehr gefragt, aber das hat weniger mit Streuobstanbau zu tun, die Menschen wollen dort vor allem ihre Freizeit verbringen.

Wie kann man den Bäumen helfen?

Die Obstbäume sind am Limit, wir werden die Quittung der trockenen Sommer fortlaufend sehen, indem sie beispielsweise für Parasiten anfälliger sind – ähnlich wie die Stadtbäume. Aber man kann im Obstbaumschnitt reagieren und das Laubdach mehr erhalten. Auch denke ich, dass die Stammaustriebe stehenbleiben können als Beschattung. Auch weiße Farbe am Stamm schützt vor dem starken Sonnenlicht. Wir müssen uns mehr Gedanken machen, wie man auf das starke Sonnenlicht und den damit verbundenen Sonnenbrand reagieren kann.

Wie sieht es mit den anderen Obstsorten aus, neben den Äpfeln. Und wie schätzen Sie die Ernte ein?

Die Ernte ist mittelmäßig. Viele Bäume hatten ihre Früchte aus Trockenstress zu früh abgeworfen, einige hingen faulig im Baum, waren von Insekten angestochen. Erst jetzt durch den Regen wurden auch größere Früchte gebildet. Birnbäume haben es sehr schwer, auch Kirschen durch die Essigfliege. Walnussbäume dagegen sind recht hitzeresistent und auch Maronen.

Welche alten Apfelsorten sind denn nach wie vor angesagt?

Robuste Sorten wie der Schwaikheimer Rambur oder der Schnaiter Brachet, der Brettacher oder auch Gewürzluiken werden bei den Streuobstwiesenbesitzern nachgefragt. Die Vielfalt der regionalen Sorten ist groß. Und das ist ein Schatz, den die Streuobstwiesen bieten. Es lohnt sich in so vieler Hinsicht, diesen Schatz zu pflegen. Auch daher ist das Oeffinger Projekt eine herausragende Aktion.

Interessenvertretung der Obst- und Gartenbauvereine

Andreas Hieber
ist im Vorstand des Kreisverbandes der Obst- und Gartenbauvereine Waiblingen. Der KOV Waiblingen vertritt die Interessen von 42 Mitgliedsvereinen, die nahezu 4900 Mitglieder haben. Auch die Fellbacher, Schmidener und Oeffinger Obst- und Gartenbauvereine sind dort Mitglied. Auf der Internetseite sind Veranstaltungen angeführt, wie der Weinstädter Streuobsttag. Andreas Hieber lebt in Leutenbach und betreibt dort auch eine Baumschule.

Der Weinstädter Streuobsttag
findet am Sonntag, 23. Oktober, von 11 bis 17 Uhr mit vielfältigem Programm auf den Gelände Mühlwiesen in Weinstadt-Großheppach statt. Unter anderem mit Apfelverkostung, Apfelsaft pressen, es gibt Produkte von Streuobstwiesen zum Probieren und Kaufen sowie Spiel- und Bastelangebote rund ums Streuobst. Zudem gibt es Infos zum Mistelprojekt, Präsentationen und vieles mehr. Infos auch unter kov-waiblingen.org.