Die Klimakrise macht sich im Kreis Esslingen durch immer häufigere und größere Schäden durch Hochwasserereignisse bemerkbar. Allein im Jahr 2024 betrug die Schadenssumme rund zehn Millionen Euro.
Beim Thema Hochwasser sind viele Kommunen an Neckar, Fils und Körsch, aber auch an den vielen kleinen Bächen im Kreis, verletzlich. Nicht zuletzt der Starkregen im Juni 2024 hat gezeigt, wie groß die Herausforderungen angesichts des Klimawandels tatsächlich sind. Das vergangene Hochwasser hat stellenweise zu immensen Schäden geführt. Wo waren die Schäden 2024 besonders groß und wie können sich Kommunen besser schützen? Dem geht dieser Überblick schlaglichtartig nach.
Mehr als zehn Millionen Euro Schäden haben die Hochwasser- und Starkregenereignisse Anfang Juni 2024 nach Angaben des Regierungspräsidiums Stuttgart im Landkreis Esslingen verursacht. Straßen und Gebäude wurden überflutet und die Infrastruktur in Mitleidenschaft gezogen. Die Schifffahrt auf dem Neckar-Oberlauf kam zum Erliegen. Außerdem wurden landwirtschaftliche Flächen überflutet und ganze Kulturen wie Gemüse, Kartoffeln und Erdbeerpflanzen zerstört. An dem damaligen Wochenende wurden mehr als 1000 Einsätze der Rettungs- und Hilfskräfte gezählt.
In Esslingen musste innerhalb weniger Stunden ein provisorischer 30 Meter breiter Damm am Neckar aufgeschüttet werden, um die Innenstadt vor der Überflutung zu schützen. Rund 1600 Tonnen Sand und Stein wurden dafür aus einem Kalksandsteinwerk bei Stetten zum Esslinger Wasserhaus herangeschafft.
Schwer getroffen wurde die Kommune Hochdorf, wo die Schäden an Privatgebäuden in der Ortsmitte mit rund 2,8 Millionen Euro beziffert wurden. Eine weitere halbe Million Euro kommt für öffentliche Gebäude, Tiefbau und mehr dazu. Zwei Menschen mussten aus einem vom Wasser eingeschlossenen Gebäude gerettet werden.
Anwohner einer Wohnanlage in der Hochdorfer Bachstraße waren in den vergangenen sechs Jahren dreimal von Hochwasser betroffen. Nicht nur Fahrzeuge und Einrichtungsgegenstände wurden durch Starkregen sowie Hochwassser an Tal- und Tobelbach vernichtet, auch die Heizungsanlage ist 2024 erneut zerstört worden.
Die Betroffenen fürchten um ihren Versicherungsschutz, denn bereits beim Hochwasser 2018 mussten sie einer Eigenbeteiligung von 110 000 Euro pro Schadensfall zustimmen. Inzwischen hält auch die Gemeindeverwaltung samt Bürgermeister Gerhard Kuttler die offizielle Einstufung der „Jährlichkeiten“ für überholt, da die Hochwasser-Ereignisse viel häufiger auftreten als sie es nach der Statistik wären. Der Bau von Regenrückhaltebecken könnte helfen, doch die Gemeinde ist auf Fördermittel des Landes angewiesen. Bislang scheiterten die Planungen stets an der Wirtschaftlichkeit. Nun hat die Kommune immerhin die Planungen für ein Regenrückhaltebecken am Tobelbach in Auftrag gegeben – ob gebaut wird, hängt von der Fördersumme des Landes ab. Für weitere Anlagen bei den anderen Bächen habe das Regierungspräsidium Fördermittel für Regenrückhaltebecken bereits abgelehnt, erklärte der Bürgermeister im Sommer.
Inzwischen wird im Kreis Esslingen auch darüber diskutiert, dass Bauwerke alleine nicht ausreichen könnten – je nachdem, wie sehr sich Starkregen und Hochwasserereignisse steigern. Unberechenbarer werden starke Niederschläge, da sie eine zunehmend hohe räumliche Variabilität haben, die oft nicht vorhersehbar sei. Durch Bauwerke, digitale Pegel sowie Alarm- und Einsatzpläne, in die immer mehr Kommunen investieren, könne meist nur die ohnehin kurze Vorwarnzeit um wenige Minuten verlängert werden, sagen Experten wie der Diplomingenieur Armin Binder vom Stuttgarter Fachbüro Winkler und Partner, das von der Gemeinde Köngen mit dem dortigen Starkregenrisikomanagement beauftragt wurde.
Grundstückseigentümer sollen sich auf Hochwasser vorbereiten
Künftig gehe es darum, die Bevölkerung zu sensibilisieren, um den Eigenschutz und die Vorsorge durch alle Grundstückseigentümer zu erhöhen. Köngen hat dazu im Frühjahr eine öffentliche Informationsveranstaltung geplant. Außerdem sollen Starkregengefahrenkarten und Risikoanalyse künftig im Rahmen der Bauplanung berücksichtigt werden.
Auch der kommunale Schulterschluss kann helfen wie beispielsweise der 2008 gegründete Zweckverband Hochwasserschutz Körsch auf den Fildern. Im September vergangnen Jahres folgte der Spatenstich für das sechste Hochwasserrückhaltebecken am Sindelbach, der zum Einzugsgebiet der Körsch zählt und künftig ein Rückhaltevolumen von 25 700 Kubikmetern haben wird. Derzeit werden weitere Rückhaltebecken geplant, die flussabwärts an der Körsch in Stuttgart liegen.
In Ostfildern-Scharnhausen hat sich das dortige Hochwasserschutzbauwerk, das 5,7 Millionen Euro gekostet hat, im vergangenen Sommer bereits bewährt. Dank des Großprojekts mit seiner modernen Technik konnte auch während des Starkregens im Juni der Bachpegel kontrolliert werden, zumal die benachbarten Wiesen als Sickerflächen dienten und sich tagelang in kleine Teiche verwandelten.
Neuhausen, das nicht dem Zweckverband angehört, hat in den vergangenen Jahren seine kommunalen Anlagen technisch auf den neuesten Stand gebracht. Zuletzt ging es um das Regenrückhaltebecken in der Hauffstraße, das für 460 000 Euro ertüchtigt wird.
Die Dämme am Neckar sollen besser vor Hochwasser schützen
Am Neckar ist ebenfalls dringend Vorsorge geboten. In Nürtingen sind die Dämme nicht hoch genug für ein Hochwasser, das statistisch alle 100 Jahre auftritt, angesichts des Klimawandels aber zumindest einen Klimazuschlag von 15 Prozent erfordert, wie das Regierungspräsidium erklärt.
Deshalb möchte das Land den Hochwasserschutz im Gewerbegebiet Zizishausen und Au in Nürtingen verbessern – entsprechende Maßnahmen wurden vom Landratsamt Esslingen genehmigt. Die Hochwasserschutzanlagen sollen mit Blick auf ihre Standsicherheit ertüchtigt, Deiche und Bestandsmauern erhöht und neue Schutzmauern gebaut werden. Das Landratsamt hat den Planfeststellungsbeschluss genehmigt. Und die Baugenehmigung für den ersten von sieben Abschnitten liegt inzwischen vor.
Ohne Fördermittel geht es nicht
Schulterschluss
Seit 2009 wurden für die fertigen fünf Hochwasserrückhaltebecken auf den Fildern und die lokalen Hochwasserschutzprojekte Fördermittel von insgesamt 13,9 Millionen Euro bewilligt. Vom Land gibt es immer wieder Lob für das erfolgreiche Netzwerk der beteiligten Filderkommunen.
Schäden
Im Jahr 2024 entstanden im Landkreis Esslingen Hochwasserschäden in Höhe von über zehn Millionen Euro. Im kommunalen Bereich waren es rund 4,3 Millionen Euro, in der Land- und Forstwirtschaft knapp 1,2 Millionen Euro und im privaten Bereich rund 3,3 Millionen Euro.