Der Klimawandel macht sich auch in Deutschland immer stärker bemerkbar. Bauern klagen immer häufiger über ausbleibenden Regen. Foto: dpa/Patrick Pleul

Die EU will den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen drastisch verringern. Im Europaparlament steht nun eine wichtige Abstimmung an.

Kompromisse in der Politik können sehr schmerzhaft sein. Michael Bloss macht in diesen Tagen aus seiner großen Pein kein Geheimnis. Der Europaparlamentarier der Grünen erklärte via Twitter, warum er am Mittwoch den Klimaschutzgesetzen zustimmen wird, die seine Partei noch vor wenigen Tagen vehement abgelehnt hatte. „Verweigere ich jetzt meine Stimme, habe ich am Ende weniger Handlungsspielraum bei den entscheidenden Verhandlungen“, schreibt er in dem Kurznachrichtendienst. In seinen Augen besteht die Gefahr, dass am Ende noch weniger für den Klimaschutz herausspringt.

Abstimmungsdebakel im Parlament

Dieser Erkenntnis vorausgegangen war ein Abstimmungsdebakel im Europaparlament. Die Abgeordneten aller Fraktionen konnten sich nicht auf eine für alle tragbare Regelung beim wichtigen Emissionshandel (ETS) einigen. Das ist das Herzstück beim Umbau Europas in Richtung Klimaneutralität. Es sieht vor, dass Unternehmen für den Ausstoß etwa von Kohlendioxid sogenannte Verschmutzungszertifikate brauchen, die sie entweder ersteigern müssen oder kostenlos zugeteilt bekommen. Da die Menge der zur Verfügung stehenden Zertifikate kontinuierlich sinkt und sie auch im Nachhinein gehandelt werden können, gibt es für Unternehmen einen großen Anreiz, ihre Emissionen soweit wie möglich zu reduzieren.

Nach tagelangen Gesprächen haben sich christdemokratische, liberale und sozialdemokratische EU-Abgeordnete kurz vor der neuen Abstimmung am Mittwoch auf einen Kompromiss geeinigt. Einer der zentralen Punkte ist, dass die kostenlose Vergabe von Zertifikaten für CO2-Emissionen ab 2027 nach und nach auslaufen und ab 2032 ganz verschwinden sollen. „Der letzte Woche abgelehnte Kompromiss hätte ein Auslaufen erst in den Jahren von 2028 bis 2034 vorgesehen“, betonte Tiemo Wölken, klimapolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament.

Große Erleichterung bei den Abgeordneten

Sein CDU-Amtskollege Peter Liese lobte den Kompromiss. „Ich bis sehr erleichtert und zufrieden“, erklärte der EVP-Berichterstatter des Europaparlaments für den Emissionshandel. Nach dem Scheitern hatte sich Liese sehr viel Kritik anhören müssen, dass er die Abstimmung nicht gut vorbereitet habe. Nun sagt der CDU-Mann: „Das ist ein fairer Kompromiss für das wichtigste Klimaschutzinstrument der EU.“ Liese betonte, er sei zuversichtlich, dass es bei der entscheidenden Abstimmung im EU-Parlament eine große Mehrheit für das Vorhaben geben werde.

Sehr umstritten ist auch die geplante Ausweitung des EU-Emissionshandels auf Gebäude und Verkehr. Diese ETS-Erweiterung wird ebenfalls wieder zur Abstimmung stehen. Der Widerstand gegen den ETS geht quer durch die Fraktionen im Parlament und kommt vor allem aus den Staaten Mittel- und Osteuropas. Die befürchten, dass steigende Energiepreise die Armut verschlimmern und es zu sozialen Spannungen und Protesten kommen könnte. Inzwischen hat der Krieg in der Ukraine die Frage der Energiepreise in ganz Europa noch einmal dramatisch verschärft.

Wichtige Abstimmungen sind verschoben

Wegen der Ablehnung vergangene Woche im Parlament waren auch wichtige Abstimmungen über einen CO2-Zoll an den EU-Außengrenzen verschoben worden, da diese Vorhaben eng zusammenhängen. Peter Liese betonte nun, dass der Kompromiss einen langsameren Start dieses Grenzausgleichsmechanismus vorsieht. Für seine Fraktion sei wichtig, dass dieses Instrument erst voll wirksam wird, wenn sich zeigt, dass es auch tatsächlich funktioniert.

Nachdem die Sozialdemokraten dem neuen Kompromiss zugestimmt haben, kommen auch positive Signale von den Grünen. „Der neue Deal ist der Mindeststandard unter dem Klimaschutz, den wir zwar mittragen“, sagte Michael Bloss, betonte aber, dass dieses Papier „noch nicht das Ende der Fahnenstange ist“. Bitter für die Grünen ist, dass sie nicht aus Überzeugung, sondern vor allem aus taktischen Erwägungen dem Kompromiss zustimmen. „Ende des Jahres geht es in die finale Verhandlung mit dem EU-Rat. Und hier kann es bitter werden“, betont Michael Bloss. Er befürchtet, dass die Klimaschutzpläne weiter verwässert werden könnten, sollte das Parlament nicht geeint in diese letzte Gesprächsrunde mit den einzelnen Mitgliedsländern der Union gehen. Den Grünen ist in diesem Fall also der Spatz in der Hand wichtiger, als die Taube auf dem Dach.