So könnte Nan Madol in einer Blütezeit im 15. Jahrhundert ausgesehen haben. Foto: © Albert Yu-Min Lin

Die Ruinen der monumentalen Megalithbauten von Nan Madol zeugen vom Untergang eines einst mächtigen Reichs auf der Pazifikinsel Pohnpei. Wann und warum dieses Südsee-Reich unterging, haben nun Archäologen herausgefunden.

Haben Sie schon mal etwas von Nan Madol gehört? Die Ruinenstadt befindet sich vor Temwen Island, einer Nebeninsel von Pohnpei im Archipel der Karolinen – heute den Föderierten Staaten von Mikronesien.

Megalithbauten aus Korallen und Felsen

Um 1180 bis 1200 n. Chr. wurden die Megalithbauten von Nan Madol aus Felsen und Korallenbruchstücken auf 92 künstlich angelegten entlang eines Korallenriffs errichtet. Die miteinander verbundenen kleinen Eilande waren durch massiven Deiche und Mauern vor dem meer geschützt.

Nan Madol war keine Stadt im heutigen Sinne, sondern ein administratives, kulturelles und religiöses Zentrum, das von der Saudeleur-Dynastie, die damals über die Insel herrschte, bewohnt wurde. Um 1650 n. Chr. brach dieses mächtige polynesische Reich zusammen. Doch warum ging Nan Madol unter?

Sämtliche Bauwerke sind auf einem Korallenriff errichtet, in einigen Bereichen wurden auch flache Sandbänke einbezogen. Foto: Imago/Ardea
Die heute sichtbare Gesamtanlage besteht aus 92 künstlich errichteten und befestigten Inseln, die sich auf einer Fläche von rund 80 Hektar verteilen. Foto: Imago/VWpics
Madol Pah („Unterer Raum“): der westliche Abschnitt auf 34 Inseln mit der Residenz des Saudeleurs und dem Hauptkultplatz Idehd war vermutlich Herrschaftszentrum. Foto: Imago/VWpics

Was Klimaschwankungen mit Nan Madols Untergang zu tun haben

Ein Forscherteam um Chuan-Chou Shen von der National Taiwan University in Taipeh hat jetzt rekonstruiert, wie die Anlagen einst aussahen, wann sie gebaut wurden und was ihnen widerfuhr. Ihre Studie ist im Fachmagazion „PNAS nexus“ erschienen.

Um das Klima in der Südsee zu erforschen, modellierten sie die damaligen Schwankungen der El-Niño-Southern-Oscillation (Enso) – ein komplexes Zirkulationssystem von Erdatmosphäre und Meeresströmung im äquatorialen Pazifik –, welches die periodisch wechselnden Klimaphänomene El Niño und La Niña verursacht. Dadurch kann der Meeresspiegel regional vorübergehend um bis zu 30 Zentimeter steigen.

Madol Powe („Oberer Raum“): der östliche Stadtteil mit 58 Inseln und den Wohnplätzen der Priester, den Begräbnisplätzen und insbesondere mit Nandauwas, der gigantischen Grabanlage der Saudeleurs, war vermutlich das religiöse Zentrum. Foto: Imago/Dreamstime
Große Teile der Stadt sind seeseitig mit einer Mauer umgeben, die jedoch mehrere Durchlässe aufweist. Foto: Imago/Danita Delimont
Die einzelnen Inseln werden von schmalen Wasserstraßen getrennt, die bei Flut mit Wasser gefüllt sind, bei Ebbe jedoch teilweise trockenfallen. Foto: Imago/VWpics

Anlage wurden in zwei Bauphasen errichtet

Die Analysen ergaben, dass der monumentale Komplex von Nan Madol in zwei Phasen erbaut wurde. Die erste Bauperiode dauerte vom frühen 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert, die zweite vom späten 12. bis zum frühen 15. Jahrhundert. Die Klimamodelle zeigten zudem, dass die Insel Pohnpei abgesunken und der Meeresspiegel während dieser Zeit erheblich angestiegen ist.

Während die Pegel rund um die Insel Pohnpei um 800 noch 126 Zentimeter niedriger waren als heute, lag der Meeresspiegel im Jahr 1180 nur noch um 90 Zentimeter und im Jahr 1380 nur 70 Zentimeter unter dem heutigen Niveau.

Die Inseln sind rechteckige Besiedlungshügel in der Art von hohen Warften, die aus sorgfältig geschichteten Basaltsteinen errichtet wurden. Foto: Imago/Dreamstime
Die aus den Basaltmauern gebildeten Rechtecke wurden mit Korallensteinen und -schutt mehrere Meter hoch aufgefüllt, so dass hohe, ummauerte Plattformen entstanden. Foto: Imago/Dreamstime
Auf diesen Plattformen befanden sich Bauwerke – Häuser, Hütten oder Tempelanlagen – aus Holz und anderen vergänglichen Baumaterialien, die jedoch nicht mehr erhalten sind. Foto: Imago/Danita Delimont

Fluten zerstörten Deiche und Ufermauern

Damit stieg der Meeresspiegel während der Erbauung und Besiedlung von Nan Madol um einen halben Meter an, was zu häufigen Überschwemmungen führte. „Nan Madol könnte regelmäßig Welleneinbrüche und eine verstärkte Verschlammung bei Flut erlebt haben“, schreiben die Forscher.

Die Ufermauern wurden immer wieder durch Fluten und Wellen zerstört und mussten aufwendig repariert oder ersetzt werden. „Der stetige Anstieg des Meeresspiegels während der zweiten Phase erforderte zunehmend umfangreichere und häufigere Schutzmaßnahmen, was wahrscheinlich zu einem verstärkten Bau von Deichen geführt hat.“

Von der ursprünglichen Anlage sind heute nur noch die künstlichen Inseln verblieben. Sie sind aus zweierlei Material errichtet, Basalt und Korallensteinen bzw. -trümmern. Foto: Imago/Danita Delimont
Das Gestein für die Bauten stammt ausschließlich von Pohnpei, die amorphen Basaltblöcke und das koralline Material überwiegend von der Insel Temwen. Foto: Imago/Depositphotos
Die sechseckigen Basaltsäulen von bis zu 8 Meter Länge und mehreren Tonnen Gewicht wurden von mehreren Steinbrüchen im Norden und Nordwesten der Hauptinsel herantransportiert, wahrscheinlich mit Flößen. Foto: Imago/VWpics
Ständige Überflutungen und ein immer aufwendigerer Küstenschutz führten dabei letztlich zur Aufgabe des Küstenortes. Foto: Imago/VWpics

Klimawandel damals und heute

Zum Ende der zweiten Bauphase im 15. Jahrhundert kam auch der Kollaps der der Saudeleur-Dynastie aufgrund des durch den klimabedingten Meeresspiegelanstiegs und der ständigen Überflutungen. Um die Siedlungen zu schützen, mussten immer aufwendigere Deiche errichtet werden. Irgendwann standen Aufwand und Nutzen in keinem vertretbaren Verhältnis mehr.

Nan Madol wurde auch nach dem Ende der Saudeleurs-Dynastie weiter als religiöses Zentrum genutzt, wenn auch in bescheidenem Umfang. Noch 1910 residierte ein Stammeshäuptling auf einer der Inseln. Foto: Imago/Dreamstime

„Dieser Fall ist ein überzeugendes Beispiel dafür, wie widrige Klimabedingungen zwar Investitionen anregen können – in diesem Fall in den Küstenschutz bei hohem Meeresspiegel –, letztlich jedoch zur Aufgabe von Ortschaften beitragen können“, schreiben die Forscher. Ein ähnliches Schicksal könnte im Zuge des Klimawandels auch Menschen treffen, die heute in Küstengebieten auf Inseln weltweit lebenresümieren sie.