Fluten und Hitzewelle: Das Land wird gleich von zwei Naturkatastrophen heimgesucht. Die Regierung versucht, mit Rekordinvestitionen in erneuerbare Energien der Klimazerstörung die Stirn zu bieten.

In China lässt sich dieser Tage beobachten, auf welch unterschiedliche Weise die Natur wüten kann: Im Süden des Landes reißen sintflutartige Überschwemmungen ganze Städte aus dem Boden, mehrere Hunderttausend Menschen mussten bereits ihre Wohnungen verlassen. Zur gleichen Zeit kommt es im Norden des Landes zu einer derart radikalen Hitzewelle, dass der Asphalt vollständiger Straßenzüge wie nach einem Erdbeben aufgebrochen wurde. Kein Wunder: In einigen Wetterstationen wurden zeitweise bis zu 70 Grad in der Nachmittagssonne gemessen.

Extremwetter wird plötzlich normal

Der Klimawandel ist in vielen Teilen der Welt zu spüren, doch in China artet er bereits jetzt zur existenziellen Bedrohung für Hunderte Millionen Bewohner aus. Die Fluten, die seit jeher mit dem Hochsommer einhergehen, treten immer häufiger und stärker auf. Gleichzeitig leiden die ariden Landesteile im Norden und Westen unter zunehmend anhaltenden Dürreperioden. Alle Studien deuten darauf hin, dass die Extremwetterlagen immer mehr zur Normalität werden.

Noch lassen sich die wirtschaftlichen Schäden der diesjährigen Unwetter-Saison nicht beziffern. Doch laut Angaben der staatlichen „Volkszeitung“ sind bereits über hundert Flüsse im Süden des Landes übergelaufen und ist das öffentliche Leben in Dutzenden Städten zum Erliegen gekommen: Schulen mussten geschlossen, der öffentliche Nahverkehr suspendiert werden. Allein in der südchinesischen Provinz Guangdong sind über 1700 Gebäude unter den Fluten zusammengebrochen und 30 Hektar an Ernteflächen vernichtet worden.

Die höchsten Niederschläge seit einem halben Jahrhundert

Die Staatsmedien schreiben bereits von den höchsten Niederschlägen seit über einem halben Jahrhundert. Dabei wurde das Land erst im letzten Sommer von einer Flut heimgesucht, die laut statistischen Berechnungen nur einmal alle tausend Jahre stattfinden sollte: In der zentralchinesischen Metropole Zhengzhou fielen in wenigen Stunden die Regenmassen eines durchschnittlichen Halbjahrs. Die Fluten stiegen derart schnell, dass Menschen in den U-Bahnzügen in den Schächten ertranken. Knapp 400 Menschen kamen laut offiziellen Angaben ums Leben, die Dunkelziffer dürfte höher liegen.

Die Fluten dienten auch als eine Art Erweckungserlebnis. Denn damals erlaubten die Zensoren erstmals auf den sozialen Medien kritische Debatten über die Folgen des Klimawandels. Bisher hatten die Staatsmedien, aus Angst vor Protesten und vor Kritik an der Regierung, das Thema vor allem als möglichst abstrakt porträtiert.

Dabei zählt das Reich der Mitte zu den besonders stark betroffenen Gebieten. Wenn die durchschnittliche Jahrestemperatur um einen halben Grad steigt, bedeutet dies konkret, dass ganze Landstriche aufgrund der fortschreitenden Desertifizierung regelrecht unbewohnbar werden.

Der Klimawandel ist doch kein Luxusproblem

Lange Zeit hat die Regierung die Folgen des Klimawandels jedoch als eine Art Luxusproblem abgetan. Alles wurde dem wirtschaftlichen Aufstieg untergeordnet, der immer auch Raubbau an der Natur war. Die energiehungrige Volkswirtschaft verbraucht längst mehr Kohle als der Rest der Welt zusammen.

Doch China ist nicht nur der größte Umweltsünder, sondern gleichzeitig auch der führende Investor für erneuerbare Energien. Mit atemberaubender Geschwindigkeit installiert China neue Windturbinen und Solarzellen. Allein im laufenden Jahr sollen laut einer staatlichen Denkfabrik rund 156 Gigawatt an Kapazitäten hinzukommen. Das würde nach dem Rekordjahr 2021 eine nochmalige Steigerung von 25 Prozent darstellen. Damit finanziert China mehr in grüne Energiequellen als die USA und die Europäische Union zusammen.