Norbert Voß, der Vorsitzende des Vereins Bürger für den Lietzenseepark, hält die Blätter eines Götterbaumes in der Hand, dessen rasante Ausbreitung er zu verhindern sucht. Foto: dpa/Sven Braun

Die Klimaerwärmung führt dazu, dass sich hierzulande invasive Arten immer wohler fühlen. Gegen einige von ihnen ist der Kampf inzwischen aussichtslos.

Berlin/Münster/Bonn - Norbert Voss packt einen jungen Götterbaum am Stamm und reißt ihn routiniert aus. Bei größeren Exemplaren muss die Säge her. Für den 68-Jährigen und seine Mitstreiter vom Berliner Verein „Bürger für den Lietzensee“ ist es ein Kampf gegen Windmühlen: Kaum sind junge Bäume entfernt, wachsen neue nach, und zwar schnell. Sie können bis zu drei Meter pro Jahr zulegen.

Nicht nur in Berlin, auch in vielen anderen Städten hat sich der Baum ausgebreitet, unter anderem in Darmstadt, Dresden, Magdeburg, Leipzig oder auch im niedersächsischen Stade. „Der Götterbaum nervt einfach“, sagt Voss. Einst sei die aus Asien stammende Art extra angepflanzt worden, weil das Laub so eine interessante Färbung bekomme. Außerdem sei der Götterbaum äußerst anspruchslos. „Doch inzwischen ist er eine echte Plage“, so Voss. Er und andere Ehrenamtliche rücken den Bäumen mindestens einmal pro Woche zu Leibe. Sie bevölkern einen ganzen Hang in dem beliebten Park am Lietzensee im Westen der Hauptstadt und verdrängen heimische Pflanzen und Gehölze.

66 Arten gelten als Gefahr

„Den Götterbaum gibt es in Berlin schon über 100 Jahre, lange war er unauffällig. Doch inzwischen hat er sich unglaublich ausgebreitet“, sagt Derk Ehlert von der Umweltverwaltung. „Normalerweise haben Fröste die Bestände immer wieder dezimiert, doch die milden Winter sind kein Problem mehr für den Götterbaum“. Die Pflanze ist nur eine von mehreren invasiven Tier- und Pflanzenarten, die die heimische Fauna und Flora gefährden. Die Europäische Union hat bislang 66 solcher Arten aufgelistet, deren weitere Ausbreitung von den betroffenen Ländern eingedämmt werden soll. Hierzulande sind 25 davon etabliert.

„In Deutschland wurden in den vergangenen Jahrhunderten schon mehrere Zehntausend Arten eingebracht. Aber von diesen überlebt aufgrund der klimatischen Bedingungen nur ein Teil in der Wildnis und von dem wiederum macht nur ein Bruchteil Probleme, breitet sich aggressiv aus und bildet Dominanzbestände“, sagt Sandra Skowronek vom Bundesamt für Naturschutz.

Der Riesenbärenklau ist giftig

Auch der Riesenbärenklau sei eine solche Problempflanze. Sein Saft ist gefährlich und führt zu Verbrennungen auf der Haut. Die bis zu vier Meter hohe Giftpflanze muss daher in Schutzkleidung entfernt werden. Umweltvereine rufen immer wieder zu Bekämpfungsaktionen auf. Erst vor wenigen Tagen rückte der Herkulesstaude, wie sie auch genannt wird, Beispiel die Stiftung Naturschutz in der Nähe von Plön in Schleswig-Holstein mit Machete und Spaten zu Leibe.

Interessant seien die Arten der Unionsliste, von denen es bislang nur Einzelfunde gebe und bei denen die Chance auf eine erfolgreiche Bekämpfung entsprechend hoch sei, sagt Skowronek. „Gegen diese Arten kann man durch frühzeitiges Erkennen und Eingreifen noch etwas tun.“ In Deutschland ist die Wasserhyazinthe eine solche Art, die bislang nur vereinzelt gesichtet wurde.

Tourismus und Handel sind Verursacher

Von manchen Gewächsen ahnt man allerdings kaum, dass sie ein Problem darstellen könnten, etwa die Kartoffel-Rose, auch Sylter Rose genannt. Die Sträucher mit den duftenden, weißen bis dunkelrosafarbenen Blüten prägen ganze Landschaften vor allem an der Nordseeküste. Was allerdings nicht jeder Liebhaber weiß: Die Rose breitet sich stark aus und überwuchert Dünen- und Heidebiotope. „Und davon gibt es nur noch wenige“, so die Geoökologin Skowronek. Sie rechnet damit, dass künftig noch mehr neue Arten einwandern: „Je mehr weltweiten Tourismus und Handel wir haben, desto mehr Arten werden eingebracht. Und damit werden es auch mehr Arten sein, die Probleme bereiten können. Das Thema ist noch lange nicht erschöpft.“

Neben der Globalisierung spiele auch das Klima eine wichtige Rolle. Das betont auch der Biologe Thomas Hövelmann, Sprecher des Fachausschusses Botanik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). „Die milden Winter und die insgesamt gestiegenen Temperaturen fördern auf jeden Fall invasive Neophyten“, sagt der Experte über die Neubürger im Pflanzenreich.

Manche Einwanderer bringen Vorteile

Allerdings hätten einige Pflanzen auch Vorteile, da sind sich die Experten einig. „Es gibt Arten, die wirtschaftlich attraktiv sind wie zum Beispiel die Robinie als Forstbaum“, sagt Skowronek. „Allerdings muss man gerade bei diesen Arten auch immer die langfristigen negativen Auswirkungen auf die Biodiversität im Blick behalten, und die sind oft kaum abschätzbar.“

Ein weiteres Beispiel: Das schmalblättrige Greiskraut: „Vor wenigen Jahrzehnten wurde es aus Südafrika versehentlich eingeschleppt, hat sich rasant ausgebreitet und wächst vor allem auf Schotterflächen an Gleisen“, berichtet Hövelmann. Die bis spät in den November hinein blühende Pflanze biete nicht nur eine dekorative gelbe Blütenpracht, sondern sei auch für Insekten zusätzliche Nahrung, wenn andere Pflanzen längst verblüht seien. „Man kann Neophyten auch als Bereicherung sehen. Es muss nur so sein, dass andere Arten nicht verdrängt werden und die Gesundheit des Menschen nicht gefährdet wird“, sagt Hövelmann.

Ein dynamischer Prozess

Meist suchten sich Neophyten ihre Nischen. Auch er spricht sich dafür aus, lediglich gegen Kandidaten vorzugehen, gegen die der Kampf sinnvoll ist: „Gelegentlich heißt es: Wehret den Anfängen.“ ​ Unter Naturschützern seien die Meinungen aber geteilt: „Es gibt Hardcore-Missionare, deren Lebensinhalt es ist, Neophyten zu bekämpfen und es gibt andere, die das entspannter sehen“, sagt Hövelmann. „Im Großen und Ganzen ist die Natur ein dynamischer Prozess. Dass Pflanzen einwandern, das hat es immer gegeben.“ Durch die Globalisierung gehe alles nur viel schneller: „Wenn es zu spät ist, muss man auch mal akzeptieren, dass man nichts mehr machen kann.“